Das neue Hinweisgeberschutzgesetz: Gefahren für die Reputation

5. April 2023

Inhaltsverzeichnis

Von Rechtsanwalt Dr. Jörn Claßen und Rechtsanwältin Alina Marko

Spätestens nach den medienwirksamen Skandalen rund um die Snowden-Enthüllungen oder WikiLeaks sind die Gefahren, aber auch der Nutzen des Whistleblowings in das allgegenwärtige Bewusstsein gerückt. Das neue Hinweisgeberschutzgesetz soll dem Whistleblowing einen rechtlichen Rahmen verleihen. Im besten Fall trägt ein solches Gesetz dazu bei, dass unbekannte Missstände offengelegt und so die Chance einer internen Aufklärung im Unternehmen eröffnet wird. Es besteht jedoch zugleich das Risiko des Missbrauchs – man denke z. B. an die mit Falschinformationen verbundenen Reputationsschäden. Beim Whistleblowing treffen die Rechtspositionen der Arbeitnehmer – nämlich die staatsbürgerlichen Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG – und Geheimhaltungsinteressen der Arbeitgeber als Ausdruck seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 GG aufeinander. Der Entwurf des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) soll diese Rechtspositionen in Einklang bringen. Eine Offenlegung von Informationen durch Einschaltung der Medien darf nur in Ausnahmefällen erfolgen.

Mit baldigem Inkrafttreten des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes ist zu rechnen

Am 16. Dezember 2022 beschloss der Bundestag das HinSchG in Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie (RL (EU) 2019/1937). Deutschland ist mit der Umsetzung dieser EU-Richtlinie bereits in Verzug. Mit dem Entwurf des HinSchG sollte der bislang lückenhafte Schutz hinweisgebender Personen ausgebaut und mit den Interessen von Unternehmen sowie öffentlicher Verwaltung, die zum Ergreifen von Hinweisgeberschutzmaßnahmen verpflichtet wurden, in Einklang gebracht werden.

Der Bundesrat stimmte dem Gesetz im Februar dieses Jahres jedoch nicht zu. Die Notwendigkeit eines besseren Schutzes von Hinweisgebern wurde zwar anerkannt, jedoch moniert, dass das Gesetz kleine und mittlere Unternehmen finanziell sowie mit neuer Bürokratie belasten könnte. Das HinSchG wurde daraufhin in zwei Gesetzentwürfe aufgeteilt:

In dem ersten, mit seinem Vorläufer weitgehend identischen Entwurf wurden Beamte der Länder und Kommunen aus dem Anwendungsbereich herausgenommen, weshalb er nach Ansicht der Ampel-Koalition nicht die Zustimmung des Bundesrats benötige. In einem zweiten Gesetzentwurf wird diese Einschränkung wieder aufgehoben.

Es mag Zweifel an dem Gesetzgebungsverfahren geben. Die derzeitige Fassung bedarf nach Auffassung der Regierung jedoch nicht der Zustimmung des Bundesrates. Mithin ist mit einer zeitnahen Verabschiedung des HinSchG zu rechnen. Die zustimmungspflichtigen Teile (Änderung des Beamtenrechtes) sollen in einem Ergänzungsgesetz verabschiedet werden. Bereits ab nächsten Monat könnte das Gesetz Bestandteil im professionellen Umgang mit Whistleblowing-Fällen in den meisten Unternehmen werden.

Mehr Schutz für Whistleblower durch EU-Richtlinie und Hinweisgeberschutzgesetz

Nachdem es in der Vergangenheit immer wieder zu Fällen kam, in denen hinweisgebende Personen Nachteile erlitten oder Repressalien fürchten mussten, wurde die EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie (RL (EU) 2019/1937) verabschiedet. Sie garantiert den Hinweisgebern EU-weit einheitliche Standards für ihren Schutz und verpflichtet Unternehmen sowie öffentliche Arbeitgeber, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einzurichten. Zudem werden Hinweisgeber vor Repressalien wie Entlassung, Herabstufung oder Einschüchterung geschützt. Der Entwurf zum HinSchG schützt nunmehr ausdrücklich auch diejenigen, die verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten melden. Dies soll auch für Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten. Zudem wird geregelt, dass Hinweisgeber, die Repressalien erleiden, eine Entschädigung in Geld erlangen können.

Dreistufiges hierarchisches Meldesystem

Die EU-Richtlinie legt die folgende Reihenfolge für Meldesysteme fest:

1. Interne Meldekanäle (Kapitel II der Richtlinie)

2. Externe Meldekanäle, z.B. zuständige Aufsichtsbehörden (Kapitel III der Richtlinie)

3. Offenlegung der Informationen, z.B. durch eine Weitergabe an Medien (Kapitel IV der Richtlinie)

Vorrangig sind hier die internen Meldekanäle zu nutzen. Wenn intern keine geeigneten Maßnahmen getroffen werden oder es keinen internen Meldekanal gibt, können externe Kanäle genutzt werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht in § 7 HinSchG (Entwurf v. 14.03.2023) zwar ein Wahlrecht vor. Hinweisgeber können danach wählen, ob sie sich an eine interne oder eine externe Meldestelle wenden. Es sollen aber Anreize für die Nutzung interner Meldestellen durch Unternehmen geschaffen werden, vgl. § 12 ff. HinSchG. Dabei müssen die Meldestellen auch anonyme Meldungen bearbeiten und Maßnahmen treffen, um die Möglichkeit einer anonymen Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und Meldestelle zu gewährleisten, vgl. § 16 Abs. 1 S. 5 HinSchG.

Offenlegung durch Einschaltung von Medien?

Die EU-Richtlinie gestattet nach Sinn und Zweck eine öffentliche Offenlegung von unternehmensinternen Informationen nur bei gravierende Missständen. Der deutsche Gesetzgeber erlaubt die Offenlegung der Informationen z.B. durch Einschaltung der Medien nur als ultima ratio in den folgenden Situationen, vgl. § 32 HinSchG:

1. Wenn die internen und externen Meldekanäle nicht funktionieren

oder

2. wenn der Verstoß eine

a) unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann, so z. B. in einer Notsituation oder bei Gefahr eines irreversiblen Schadens;

oder

b) im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind oder aufgrund der besonderen Umstände des Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird, beispielsweise weil Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten oder wenn zwischen einer Behörde und dem Urheber des Verstoßes Absprachen bestehen könnten oder die Behörde an dem Verstoß beteiligt sein könnte.

Kein Freibrief zur Veröffentlichung zugespielter InformationenGrundsätze der Verdachtsberichterstattung gelten

Werden Medien mit zugespielten Informationen konfrontiert, sind sie gleichwohl an die Maßstäbe der Verdachtsberichterstattung gebunden. Diese ist nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

1. Es muss ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen.

2. Die Öffentlichkeit muss ein berechtigtes Informationsinteresse haben.

3. Das betroffene Unternehmen muss vor einer Veröffentlichung angehört werden.

4. Es darf keine Vorverurteilung stattfinden.

5. Der Anonymitätsanspruch des betroffenen Unternehmens muss berücksichtigt werden.

Der Schutz vor Reputationsschäden durch Whistleblowing

Den besten Schutz vor Reputationsschäden durch Whistleblowing bietet ein gutes internes Meldesystem, welches den neuen Bestimmung zum Entwurf des HinSchG entspricht und eine zeitnahe Bearbeitung von Eingaben sicherstellt, um den Gefahren einer Veröffentlichung vorzubeugen. Ein einfacher Briefkasten für Meldungen der Mitarbeiter wird in Zukunft nicht ausreichen, um den Erfordernissen des HinSchG gerecht zu werden. Sollte das als zustimmungspflichtig eingestufte „Ergänzungsgesetz“ zum HinSchG erneut vom Bundesrat abgelehnt werden, käme es zu unterschiedlichen Regelungen für Bundes-, Landes- und Kommunalbeamte.

Fazit

Behörden und Unternehmen sollten sich auf die zunehmende Relevanz von Whistleblower-Fällen einstellen. Um Reputationsschäden zu verhindern sind verschiedene Faktoren entscheidend, insbesondere:

  • ein gutes Meldesystem
  • und der richtige rechtliche und kommunikative Umgang mit gemeldeten Hinweisen.


BROST CLAßEN ist eine bundesweit und international tätige Kanzlei für Medienrecht und Reputationsschutz sowie gewerblichen Rechtsschutz. Die Kanzlei schützt (Unternehmens-) Persönlichkeitsrechte durch effektive Rechtsverteidigung sowie strategische Rechtskommunikation.

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