Geschrieben von RA Dr. Richard Kindling und Wiss. Mit. Dr. Sebastian Stöcker
Obwohl sämtliche medizinische Fachbereiche in den sozialen Medien vertreten sind, dominieren auf den Plattformem Facebook, Instagram und TikTok eindeutig Inhalte aus dem Bereich der ästhetischen Eingriffe.
Insbesondere Vorher-Nachher-Bilder ästhetischer Maßnahmen, die Gesichtspartien und/oder Körperregionen vor und nach einer Behandlung oder einem Eingriff zeigen, sind besonders beliebt.
Nach Maßgabe des Heilmittelwerbegesetzes ist Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern regelmäßig unzulässig.
Anwendungsbereich des „Heilmittelwerbegesetz“ (HWG)
Werbung unterliegt wettbewerbsrechtlichen Voraussetzungen. Neben allgemeinen Vorschriften, wie dem „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG), beinhaltet das „Heilmittelwerbegesetz“ (HWG) besondere Vorschriften für medizinische Produkte und/oder medizinische Dienstleistungen.
Ziel der Maßgaben ist es, Patienten vor unsachlicher und/oder irreführender Werbung im Gesundheitswesen zu schützen und Risiken unsachgemäßer Selbstmedikation zu vermeiden. Insofern unterliegen grundsätzlich auch Ärztinnen und Ärzte den Marktverhaltensnormen des Heilmittelwerbegesetzes.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c HWG gelten die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetz insbesondere, soweit sich eine werbliche Maßnahme auf „operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit“ bezieht.
Bezüglich dieser Eingriffe ergibt sich aus § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG ausdrücklich, dass „mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff“ nicht geworben werden darf.
Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern
Vorher-Nachher-Bilder sind vergleichende Darstellungen derselben Patientin / desselben Patienten vor und nach einem Eingriff.
Der Vergleich muss nicht zwangsläufig aus zwei Abbildungen bestehen. Vielmehr ist bereits eine Bildsequenz hinreichend, die schrittweise die Veränderungen infolge der Einwirkung oder Anwendung des Heilmittels oder der Behandlung dokumentieren.
Nach jüngster Rechtsprechung des OLG Koblenz, Urteil vom 23.04.2024, Az. 9 U 1097/23, anhängig beim BGH unter dem Az. I ZR 77/24, können sogar schematisierende oder stilisierende Darstellungen mit Zeichnungen oder Grafiken, wie beispielsweise computergenerierte Avatare, von dem Werbeverbot erfasst werden.
Entscheidend ist, dass der Konsument bei Betrachtung der Bilder eine erkennbare Verbesserung durch die Behandlung wahrnimmt.
Zudem legt die Rechtsprechung bezüglich der Klassifikation einer Werbung einen strengen Maßstab an. So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26.3.2009, Az. I ZR 213/06, entschieden, dass Werbung im Sinne des HWG auch dann vorliegen kann, wenn die werbliche Intention nicht im Vordergrund steht.
Wörtlich führt das Gericht dazu aus:
„Angesichts der Bedeutung und des Ausmaßes der Bedrohung der durch das Heilmittelwerbegesetz geschützten Rechtsgüter durch eine unangemessen beeinflussende Werbung ist es geboten, den Anwendungsbereich des Gesetzes […] schon dann zu eröffnen, wenn für das angesprochene Publikum eine werbende Aussage […] neben anderen damit verfolgten Zwecken erkennbar bleibt.“
Insofern ist das angesprochene Publikum maßgeblich. Es handelt sich um Werbung, wenn das angesprochene Publikum trotz erkennbaren anderen verfolgten Absichten zugleich eine werbliche Absicht erkennt.
Diese Auslegung hat zur Folge, dass eine Veröffentlichung von Vorher-Nachher-Bildern (beispielsweise in den sozialen Medien) im Zusammenhang mit einer ärztlichen Tätigkeit regelmäßig als Werbung zu qualifizieren sein dürfte.
Denn aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise handelt es sich nicht nur um eine bloße Sachinformation. Vielmehr sind die Voher-Nachher-Bilder jedenfalls auch dazu geeignet, Interessenten direkt oder indirekt von der Durchführungen des jeweiligen Eingriffs zu überzeugen.
Operativ plastisch-chirurgische Eingriffe
Einschränkungen einer Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern gelten gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG insbesondere für „operative Eingriffe“, wobei sich Anwendungsbereich ausschließlich auf Operationen ohne medizinische Notwendigkeit beschränkt, § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c HWG.
Nach dem Laienverstand handelt es sich – in Abgrenzung zu oberflächlichen Behandlungen – um einen operativen (medizinischen) Eingriff, wenn ein tiefergehender Eingriff möglicherweise unter Einsatz von Narkosemitteln erfolgt. Insofern ist nach dem Verkehrsverständnis erforderlich, dass Chirurgen manuell oder mit Hilfe von Instrumenten in den Körper eines Patienten eingreifen.
Dies ergibt sich ebenso aus der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens. Danach „[wird] durch die Beschränkung auf „operative“ Verfahren […] klargestellt, dass andere Verfahren mit Auswirkungen auf den Körper, wie z. B. Ohrlochstechen, Piercen und Tätowieren, nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens fallen.“, vgl. BT.-Drucks. 15/4117 S. 7.
Diese Interpretation deckt sich jedoch nicht mit dem extensiven Begriffsverständnis der Rechtsprechung. Danach wird ein operativer Eingriff angenommen, sobald am oder im Körper eines Menschen eine Form- und/oder Gestaltveränderung an den Organen und/oder der Körperoberfläche erfolgt.
Die Gerichte begründen die weite Auslegung mit dem Sinn und Zweck der Norm. Dieser läge darin, zum Schutz der Verbraucher vor erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken, eine (insbesondere suggestive oder irreführende) Werbung mit medizinisch nicht notwendigen schönheitschirurgischen Eingriffen zu verbieten.
Der weite Anwendungsbreich hat zur Folge, dass sämtliche subkutane oder intramuskuläre Injektionen, die zu opischen Veränderung des Köpers führen, als operativer Eingriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c HWG zu qualifizieren sind.
Es muss allerdings ein instrumenteller Eingriff von einer gewissen Intensität vorliegen. Lediglich die Hautoberfläche erfassende instrumentelle Einwirkungen oder rein kosmetische Behandlungen genügen nicht, vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 23.04.2024, Az. 9 U 1097/23, Rn. 31.
Insofern werden grundsätzlich ebenso minimalinvasive Behandlungen mit Botulinumtoxin-A (Botox®) oder Hyaluronsäure sowie vergleichbare Behandlungen erfasst, die das äußere Erscheinungsbild eines Körpers verändern, auch wenn diese Injektionen ohne umfangreiche (Voll-)Narkose oder sonstige operationsähnliche Bedingungen einhergehen.
Ohne medizinische Notwendigkeit
Weitere Voraussetzung des Werbeverbots ist, keine „medizinische Notwendigkeit“ des operativen Eingriffs besteht, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c HWG.
Im Hinblick auf eine medizinische Indikation eines Eingriffs wird vorwiegend auf den Anlass und das erhoffte Ergebnis des Eingriffs abgestellt. Medizinisch indiziert ist ein Eingriff dann, wenn ein pathologischer oder anderweitig, von dem Normalzustand negativ abweichender Zustand vorliegt, welcher durch den Eingriff behoben und/oder gemindert werden soll.
Im Bereich der minimal-invasiven Behandlungen mit Botulinumtoxin-A (Botox®) und Hyaluronsäure kommt eine medizinische Indikation insofern beispielsweise bei chronischer Migräne, Hyperhidrose, Spastizität, Schielen, Osteoarthritis oder im Bereich der Wundheilung in Betracht.
Liegen die genannten Vorausetzungen vor wird in der Rechtsfolge ein Werben mit Vorher-Nachher-Bildern untersagt. Verstöße begründen insbesondere Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern und/oder Verbraucherorganisationen sowie Bußgelder von bis zu 50.000 Euro, § 15 Abs. 1, Abs. 3 HWG.
Handlungsempfehlungen
Folgendes ist zu beachten:
- Erfolgt ein ästhetischer Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit, ist auf eine Veröffentlichung von Vorher-Nachher-Bildern zu verzichten.
- Die Empfehlung eines Verzichts bezieht sich nicht nur Fotos, sondern ebenso Beiträge, die zunächst das Bild einer Person vor Behandlungsbeginn und nach einem Bericht ein erneutes Bild nach Behandlungsabschluss aufweisen sowie schematisierende oder stilisierende Darstellungen mit Zeichnungen, Grafiken (Avatare), Film und Fernsehen.
- Liegt eine medizinische Indikation eines ästhetischen Eingriffs vor, kommt eine Veröffentlichung von Vorher-Nachher-Bildern in Betracht.
- Jedoch muss sich sodann autonom aus der Werbung ergeben, dass die beworbenen operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe medizinisch notwendig waren. Maßgeblich dafür, ob aus der Werbung die medizinische Indikation des Eingriffs ersichtlich wird, ist die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise.
- Bei Beiträgen in den sozialen Medien empfiehlt sich daher zumindest in dem Begleittext unter den Bildern ein eindeutiger Hinweis, dass in dem konkreten Fall ein medizinisch notwendiger Eingriff vorliegt.
- Bestehen Unsicherheiten im Hinblick auf die rechtliche Zulässigkeit der Beiträge auf der eigenen Webseite oder in den sozialen Medien, empfiehlt sich eine entsprechende medienrechtliche Beratung.