Im Jahr 2018 berichtete der SPIEGEL über die armenische Mafia und mögliche Verbindungen in höchste diplomatische Kreise. Dagegen wendete sich der Kläger. Er wurde u.a. als ein sog. „Dieb im Gesetz“, also eine Führungsperson innerhalb mafiöser Strukturen bezeichnet. Zudem befasste sich der Beitrag mit einer Beteiligung des Klägers an möglichen Schleuser- und Geldwäschehandlungen, wobei die Ermittlungsverfahren hierzu eingestellt wurden.
Nachdem das Landgericht Berlin den SPIEGEL zur Unterlassung verurteilt hatte (LG Berlin, Urt. v. 4. Juni 2019, 27 O 23/19), hob das Kammergericht das Urteil weitestgehend auf und verurteilte die Beklagten lediglich zur Unterlassung der Passage der angeblichen Stellung des Klägers als sog. „Dieb im Gesetz“ (KG, Urt. v. 15. Juli 2021, 10 U 68/19).
Nach Auffassung des KG handelte es sich bei den Äußerungen zur angeblichen Beteiligung des Klägers an Schleuser- und Geldwäschehandlungen um wahre Behauptungen, auf die die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung keine Anwendung fänden.
Nach gutachterlicher Prüfung der Entscheidungen und Empfehlung von BROST CLAßEN wendete sich der Kläger an den Bundesgerichtshof. Dieser hob die Entscheidung des KG auf und verurteilte den SPIEGEL antragsgemäß (Urt. v. 20. Juni 2023, VI ZR 262/21 – Armenische Mafia). Der BGH trat der Auffassung des KG entgegen und stellte fest, dass die Ausführungen zu Schleuser- und Geldwäschehandlungen an den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zu bestimmen seien.
Für den Verdacht der Verwicklung in illegale Schleuseraktivitäten fehlte es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen. Zur Berichterstattung über den Verdacht der Geldwäsche genüge die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht. Die angegriffenen Berichterstattungen waren zudem nicht ausreichend ausgewogen, weil dem Publikum relevante Umstände, die die geäußerten Verdächtigungen infrage stellen, vorenthalten wurden.
Rechtsanwalt Dr. Lucas Brost:
„Der Bundesgerichtshof hat die widersprüchliche Entscheidung des Kammergerichts korrigiert. Dieses hatte die Anwendung der Grundsätze der Verdachtsberichterstattung verneint, zugleich aber von einem „Verdacht“ gesprochen. Bedeutsam sind die Ausführungen zur Ausgewogenheit. Die Presse muss darauf achten, dass sie sich bei Einstellung eines Verfahrens nicht auf die bloße Mitteilung beschränkt, sondern weitere Hintergründe dazu erläutert.“