Gericht untersagt identifizierende Berichterstattung des SPIEGEL über Strafvorwürfe gegen ehemaligen Mitarbeiter eines bekannten Unternehmens

30. November 2020

Ein ehemaliger Mitarbeiter eines bekannten Unternehmens wurde beschuldigt, durch Bildaufnahmen in den höchstpersönlichen Lebensbereich von Mitarbeiterinnen eingegriffen zu haben. Der ehemalige Mitarbeiter bestreitet die Vorwürfe. Ein Tatnachweis existiert nicht. Das Strafverfahren gegen ihn wurde mittlerweile eingestellt.

Kurz vor der Einstellung des Strafverfahrens berichtete der SPIEGEL unter Nennung des vollständigen Namens und Abbildung eines unverpixelten Fotos unter dem Aufmacher #MeToo über den Mitarbeiter. Der Mitarbeiter stand von jetzt auf gleich als mutmaßlicher Straftäter am Pranger. Die Berichterstattung wurde schnell von in- und ausländischen Medien übernommen. Trotz Unschuldsvermutung und später erfolgter Einstellung des Strafverfahrens war der Mitarbeiter mit existenzgefährdenden Folgen in den Medien bekannt.

Diese Berichterstattung hat das Landgericht Köln nun in einem von BROST CLAßEN geführten Eilverfahren per einstweiliger Verfügung untersagt. Die Voraussetzungen für eine Verdachtsberichterstattung seien nicht eingehalten worden. Durch die Erkennbarmachung in dem Artikel seien die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters verletzt worden, so das Landgericht.
In weiteren von BROST CLAßEN geführten außergerichtlichen Verfahren konnte auch die Berichterstattung der anderen Medien über den Mitarbeiter gestoppt und Alt-Berichte sowie Einträge in Suchmaschinen und den Sozialen Medien gelöscht werden.

Rechtsanwalt Dr. Jörn Claßen:
“Die identifizierende Berichterstattung über einen Straftatverdacht ist nur in Ausnahmefällen erlaubt. Denn im Verdachtsstadium ist meist noch völlig unklar, ob an den Vorwürfen etwas dran ist oder nicht. Für den Betroffenen gilt die Unschuldsvermutung. Zu diesem Zeitpunkt darf grundsätzlich nicht in identifizierender Weise, also z.B. durch Namensnennung oder Abbildung eines Fotos, berichtet werden. Der Anonymitätsanspruch schützt Personen und Unternehmen in diesen Fällen vor existenzgefährdender Berichterstattung.”

Aus presserechtlichen Gründen ist der Sachverhalt anonymisiert und ohne erkennbarmachende Details geschildert. Das Gerichtsaktenzeichen kann ggf. auf Anfrage mitgeteilt werden. Die Entscheidung des Gerichts ist noch nicht rechtskräftig.