Landgericht Köln untersagt rechtswidrige Verdachtsberichterstattung des SPIEGEL über Ex-Manager

23. November 2021

Die von BROST CLAßEN bereits im November 2020 erwirkte einstweilige Verfügung gegen den SPIEGEL wegen rechtswidriger Verdachtsberichterstattung über einen Ex-Manager eines bekannten Unternehmens aus der Medienbranche wurde im Hauptsacheverfahren nun mit Urteil des Landgerichts Köln (Urteil vom 10.11.2021, Az. 28 O 81/21) bestätigt.

Ein Ex-Manager eines Medienunternehmens wurde beschuldigt, durch Bildaufnahmen in den höchstpersönlichen Lebensbereich von Mitarbeiterinnen eingegriffen zu haben. Der Ex-Manager bestreitet die Vorwürfe. Ein Tatnachweis existiert nicht. Das Strafverfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Kurz vor der Einstellung des Strafverfahrens berichtete der SPIEGEL unter Nennung des vollständigen Namens und Abbildung eines unverpixelten Fotos unter dem Aufmacher #MeToo über den Ex-Manager. Dieser stand von jetzt auf gleich als mutmaßlicher Straftäter am Pranger. Die Berichterstattung wurde schnell von in- und ausländischen Medien übernommen. Trotz Unschuldsvermutung und später erfolgter Einstellung des Strafverfahrens war der Ex-Manager mit existenzgefährdenden Folgen in den Medien bekannt.

Diese Berichterstattung hat das Landgericht Köln nun auch im Klageverfahren untersagt. Die Voraussetzungen für eine Verdachtsberichterstattung seien nicht eingehalten worden. Durch die Erkennbarmachung in dem Artikel seien die Persönlichkeitsrechte des Ex-Managers verletzt worden.

Zur Unschuldsvermutung führt das Landgericht Köln wie folgt aus:

„Ein identifizierender Bericht vor einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung ist im Hinblick auf die Unschuldsvermutung auch daraufhin zu überprüfen, ob er geeignet ist, den Beschuldigten an den Pranger zu stellen, ihn zu stigmatisieren oder ihm in sonstiger Weise Nachteile zuzufügen, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen. Dabei kann anders als bei Berichterstattungen nach einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung nicht als Gesichtspunkt in die Abwägung eingestellt werden, dass der Beschuldigte den Rechtsfrieden gebrochen und deswegen zu dulden habe, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt werde; denn eine solche Argumentation lässt sich in der Regel mit der Unschuldsvermutung nicht vereinbaren.“

In weiteren von BROST CLAßEN geführten außergerichtlichen Verfahren konnte auch die Berichterstattung der anderen Medien über den Mitarbeiter gestoppt und Alt-Berichte sowie Einträge in Suchmaschinen und den Sozialen Netzwerken gelöscht werden.

Rechtsanwalt Dr. Jörn Claßen:

“Die identifizierende Berichterstattung über einen Straftatverdacht ist nur in Ausnahmefällen erlaubt. Denn im Verdachtsstadium ist meist noch völlig unklar, ob an den Vorwürfen etwas dran ist oder nicht. Für den Betroffenen gilt die Unschuldsvermutung. Zu diesem Zeitpunkt darf grundsätzlich nicht in identifizierender Weise, z.B. durch Namensnennung oder Abbildung eines Fotos, berichtet werden. Der Anonymitätsanspruch schützt Personen und Unternehmen in diesen Fällen vor existenzgefährdender Berichterstattung.”

Aus presserechtlichen Gründen ist der Sachverhalt anonymisiert und ohne erkennbar machende Details geschildert.