Einstweilige Verfügung gegen Amazon: Sperre eines Verkäuferkontos rechtswidrig

8. April 2024

Das Landgericht München I hat im Eilrechtsschutz entschieden, dass das Amazon-Händlerkonto eines von BROST CLAßEN vertretenen E-Commerce-Unternehmens freigeschaltet werden muss (n.rkr.). Zukünftige Konto-Sperrungen sind konkret durch Amazon zu begründen. Amazon wurde außerdem untersagt, den Warenbestand des betroffenen Unternehmens in den eigenen FBA-Lagern zu vernichten.

Amazon ist mittlerweile eine der bedeutendsten Plattformen im Online-Handel. Das hat auch das Bundeskartellamt erkannt und dem amerikanischen Plattformbetreiber eine marktbeherrschende Stellung zugeschrieben.

Neben eigenen Produkten bietet Amazon auch externen Händlern die Möglichkeit, die Plattform für den eigenen Vertrieb zu nutzen. Dazu können Händler einen sog. Selleraccount eröffnen. Neben der Abwicklung des Produktverkaufs bietet Amazon seinen Händlern die Teilnahme am sog. FBA-Programm (Versand durch Amazon) an. Gegen Zahlung einer Gebühr lagert Amazon den Warenbestand der externen Händler in den eigenen Warenlagern und übernimmt den Versand von Produkten, die über die Amazon-Plattform gekauft werden. Dies macht es auch kleinen Online-Händlern möglichst attraktiv, die Produkte auf Amazon zu verkaufen.

Amazon sperrt ohne Vorankündigung und konkrete Begründung

Sobald jedoch Probleme mit einem Händler-Konto auftauchen, reagiert Amazon häufig rücksichtslos. Stellt Amazon z.B. einen Richtlinienverstoß fest, werden die Händlerkonten ohne Vorankündigung und konkrete Begründung gesperrt. In der Folge wird u.a. das Amazon-Guthaben eingefroren. Die Händler werden außerdem vom Verkauf ihrer Produkte über die Plattform ausgeschlossen. Nimmt der betroffene Händler am FBA-Programm teil, droht Amazon zudem mit der Vernichtung des Warenbestandes binnen 30 Tagen. Den E-Commerce-Händlern fällt damit häufig ihr wichtigster Absatzmarkt weg.

So ist es nun einer Mandantin von BROST CLAßEN ergangen.

Das E-Commerce-Unternehmen wurde von Amazon im Rahmen der alljährlichen Validierungsprüfung aufgefordert, Nachweise über das Unternehmen sowie die wirtschaftlich berechtigten Personen im Amazon Selleraccount hochzuladen. Angefragt hatte Amazon u.a. einen aktuellen Handelsregisterauszug, den Gesellschaftsvertrag sowie Kontoauszüge und Rechnungen von Versorgungsunternehmen, auf denen die Adresse des Unternehmens und des Geschäftsführers zu erkennen sind. Nach den Vorgaben von Amazon müssen die eingereichten Dokumente in einer bestimmten Sprache (u.a. Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch) verfasst sein.

Dem ist das von BROST CLAßEN vertretene Unternehmen nachgekommen. Sämtliche Nachweise wurden fristgerecht eingereicht und entsprachen dabei den Sprachvorgaben von Amazon. Dennoch wurden einzelne Dokumente nicht von Amazon akzeptiert. Weitere Angaben machte Amazon nicht. In der Folge erklärte Amazon die Validierung für ungültig und sperrte den Selleraccount mit sofortiger Wirkung.

Amazon reagiert nicht und sperrt Händler-Konto weiter

Mehrere Kontaktaufnahmen des betroffenen Unternehmens scheiterten. Auch auf ein außergerichtliches Anwaltsschreiben von BROST CLAßEN zeigte Amazon keine Reaktion. Aufgrund der drohenden wirtschaftlichen Auswirkungen sah sich das betroffene E-Commerce-Unternehmen daher gezwungen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Gericht: Amazon verhält sich kartellrechtswidrig

Das Landgericht München I sieht in der unbegründeten Sperrung des Amazon-Kontos sowie der Ankündigung einer zeitnahen Warenvernichtung eine rechtwidrige Behinderung im Sinne des Kartellrechts. Als marktbeherrschendes Unternehmen müsse Amazon seinen Geschäftspartnern die „tragenden sachlichen Gründe“ für die Konto-Sperrung mitteilen. Werden in dem Validierungsprozess z.B. einzelne Dokumente seitens Amazon beanstandet muss das US-Unternehmen konkret mitteilen, welche Dokumente hiervon betroffen sind. Außerdem muss dem betroffenen Unternehmen mitgeteilt werden, warum die eingereichten Dokumente nicht akzeptiert werden. Ansonsten verhält sich Amazon willkürlich.

Rechtsanwalt Yannick Hoppe, LL.M. (Stellenbosch):

„Immer wieder sperren die großen Plattformbetreiber Nutzerkonten, ohne dies konkret zu begründen. Die betroffenen Unternehmen wissen oft nicht weiter, wie sie einen Verstoß gegen die Nutzungs-Richtlinien beheben können. Dabei sind E-Commerce-Unternehmen häufig auf eine Präsenz auf Amazon & Co. angewiesen, um ihre Produkte online zu verkaufen. Wird ein Händler-Account gesperrt, drohen hohe Umsatzausfälle.

Das Bundeskartellamt hat die Marktmacht von Amazon festgestellt. Aus diesem Grund ist das US-Unternehmen auch an deutsches Kartellrecht gebunden. Hiernach ist Amazon verpflichtet, Konten nicht unangekündigt zu sperren. Außerdem müssen die konkreten Gründe mitgeteilt werden, die zu einer Sperrung führen können. Werden die konkreten Gründe nicht mitgeteilt, handelt Amazon willkürlich und rechtswidrig.

Betroffene Unternehmen haben dann einen Anspruch auf Kontofreischaltung. Sie können außerdem verlangen, dass zukünftige Sperrungen nicht unbegründet vorgenommen werden. Diese Ansprüche können auch vor deutschen Gerichten gerichtlich durchgesetzt werden. Hierfür steht das gerichtliche Eilverfahren zur Verfügung.“


BROST CLAßEN berät als hochspezialisierte, national und international tätige Medienkanzlei umfassend zu medien- und presserechtlichen Themen.

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