In den letzten Wochen ist auf TikTok eine Gegenbewegung zum klassischen Influencing gestartet – das „Deinfluencing“. Influencer zeigen hier gehypte und oft teure Produkte, von deren Kauf sie ihren Followern abraten.
Von den Followern wird dieser Trend begeistert aufgenommen. Sie wünschen sich authentische und ehrliche Empfehlungen und wollen Produkte sehen, die „ihr Geld wert“ sind. Auf der anderen Seite stehen die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen.
Es ist kein Geheimnis, dass auch der Bereich des Influencer-Marketings kein rechtsfreier Raum (mehr) ist. So stellt auch der „Deinfluencing-Trend“ Influencer, Agenturen und Unternehmen vor neue rechtliche Herausforderungen, über die hier ein Überblick verschafft werden soll.
Die Rechtslage rund um das Deinfluencing
„Deinfluencing-Beiträge“ können juristisch betrachtet in mehrfacher Hinsicht heikel sein:
Falschbehauptungen
Nicht erlaubt ist es, als Influencer Falschbehauptungen über ein Produkt aufzustellen. Denn unwahre Tatsachenbehauptungen werden nicht von der Meinungsfreiheit geschützt.
Im Unterschied zu einer Meinungsäußerung lässt sich bei einer Tatsachenbehauptung überprüfen, ob sie wahr oder falsch ist.
Ein Beispiel: Wenn ein Influencer bezüglich eines Kosmetikproduktes „deinfluenced“ und hierbei angebliche Inhaltsstoffe nennt, die in dem Produkt jedoch gar nicht enthalten sind, handelt es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Die Äußerung ist also rechtswidrig. Das betroffene Unternehmen kann dagegen vorgehen.
Meinungsäußerungen
In der Regel äußern die „Deinfluencer“ sich (ab-)wertend über ein Produkt und teilen ihre persönlichen Erfahrungen, sodass es sich um – wertende – Meinungsäußerungen handelt.
Meinungen sind grundsätzlich erlaubt, auch wenn sie scharf und überzogen sind. Nach der Rechtsprechung muss sich derjenige, der sich im Wirtschaftsleben betätigt – also auch die vom „Deinfluencing“ betroffenen Unternehmen – in weiterem Umfang Kritik aussetzen als Privatpersonen.
Dennoch müssen sich Unternehmen nicht jede Meinungsäußerung von Influencern gefallen lassen.
„Boykottaufrufe“
Wenn ein Influencer seinen Beitrag konkret mit einem Apell verbindet, die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens zu boykottieren, handelt es sich um einen sog. Boykottaufruf.
Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Apell das Unternehmen besonders schwer treffen kann, insbesondere wegen des zu befürchtenden Reputationsschadens und möglicher Umsatzeinbußen.
Boykottaufrufe sind nicht per se verboten, es kommt stets auf den Einzelfall an. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Motivation des Influencers, die Mittel des Aufrufs und die zu erwartenden Folgen für das betroffene Unternehmen.
Ein unzulässiger Aufruf an die Follower kann vorliegen, wenn er nur durch das kommerzielle Eigeninteresse des Influencers motiviert ist und / oder sich nicht darauf beschränkt, den Followern rein argumentativ die vermeintlichen Nachteile des Produkts aufzuzeigen, sondern zusätzlich sozialer Druck auf sie ausgeübt wird.
Das könnte z.B. die Aufforderung sein, jeden, der beim Kauf des Produktes „erwischt“ wird, öffentlich zu outen und anzuprangern.
Wettbewerbsrecht
Rechtliche Minen können beim „Deinfluencing“ auch im Bereich des Wettbewerbsrechts liegen.
Konkurrenzunternehmen
So kann es problematisch sein, wenn der Influencer für ein Unternehmen handelt, das Konkurrent des betroffenen Unternehmens ist.
Heißt zum Beispiel: Ein Kosmetikunternehmen beauftragt einen Influencer, das Kosmetikprodukt des Konkurrenten bei TikTok schlecht zu bewerten und Followern vom Kauf abzuraten. Möglicherweise wird auch vereinbart, dass der Influencer im gleichen Beitrag das Kosmetikprodukt des ihn beauftragenden Unternehmens als bessere Alternative präsentiert.
Dieser Beitrag kann eine gezielte Behinderung und / oder eine Herabsetzung des betroffenen Unternehmens darstellen und gemäß § 4 UWG unzulässig sein. Wenn es sich um einen Fall der vergleichenden Werbung handelt – also Produkte des beauftragenden Unternehmens, denen des Konkurrenten gegenübergestellt werden – kann die Handlung auch gemäß § 6 UWG unzulässig sein.
Bei einem Verstoß drohen sowohl dem Influencer als auch dem beauftragenden Unternehmen rechtliche Sanktionen. Sie können abgemahnt und eventuell auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
Influencer unter sich
Wichtig: Influencer sollten wettbewerbsrechtliche Grenzen auch beachten, wenn sie sich zu den Produkten oder Dienstleistungen anderer Influencer äußern. Denn auch zwischen Influencern besteht ein Wettbewerbsverhältnis. Dabei ist es egal, ob sie die gleiche Zielgruppe haben oder ähnlichen Content produzieren.
Werbekennzeichnung
Selbstverständlich findet auch im Rahmen des „Deinfluencings“ der Grundsatz Anwendung, dass Postings als Werbung gekennzeichnet werden müssen, wenn der Influencer eine Gegenleistung für den Beitrag erhält. Deshalb ist es rechtswidrig, wenn der Influencer verschweigt, dass er von einem Konkurrenten des betroffenen Unternehmens für den „Deinfluencing-Beitrag“ bezahlt wird.
Haftungsrisiken beim Deinfluencing
Influencer sollten stets im Hinterkopf behalten, dass vor allem bei besonders vernichtenden Urteilen über bestimmte Produkte jederzeit ein Shitstorm gegen das betroffene Unternehmen ausbrechen kann.
Vor allem dann kann es zu schwerwiegenden finanziellen Einbußen auf Seite des Unternehmens kommen.
Enthält der ursprüngliche „Deinfluencing-Beitrag“ rechtswidrige Äußerungen, die sich „sturmhaft“ verbreiten, kann das geschädigte Unternehmen sich ggf. mit seinem gesamten Schaden (soweit dieser beziffert werden kann) an den „Deinfluencer“ halten. Denn die Weiterverbreitung ist gerade bei großer Reichweite für den Influencer voraussehbar.
Vertragspflichten
Auch beim „Deinfluencing“ gilt: Der Influencer sollte seine (nach-)vertraglichen Pflichten kennen.
Schließen Influencer und Unternehmen einen Marketing-Vertrag, wird häufig vereinbart, dass der Influencer sich während der Laufzeit öffentlich nicht negativ über die Produkte des Unternehmens äußern darf. Häufig gilt diese Pflicht auch für einen bestimmten Zeitraum nach Ende des Vertrages. Veröffentlicht der Influencer dann einen auf das Unternehmen bzw. dessen Produkte bezogenen „Deinfluencing-Beitrag“ wird er in der Regel hiergegen verstoßen und sich ggf. schadensersatzpflichtig machen.
Wichtig: Auch ohne konkretes vertragliches Verbot negativer Äußerungen kann sich ein Influencer bei „deinfluencenden“ Äußerungen über einen (ehemaligen) Vertragspartner schadensersatzpflichtig machen, da grundsätzlich jedem Marketing-Vertrag das Gebot der Imagewahrung des Unternehmens als Nebenpflicht zugrunde liegt.
Ausblick
Authentizität ist die wichtigste Währung des Influencers. Gerade das macht den Trend für viele so spannend – es ist eine Möglichkeit, die eigene Glaubwürdigkeit seinen Followern gegenüber (wieder) in den Fokus zu rücken.
Der Trend bedeutet indes keinesfalls das Ende des Influencer-Marketings, sondern ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass dieses sich weiterentwickelt. Wie stets in diesem jungen Rechtsgebiet gilt es daher, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu informieren. Influencer sollten sich vor Veröffentlichung eines „Deinfluencing-Beitrags“ der rechtlichen Risiken bewusst sein, betroffene Unternehmen ihre Rechte kennen.
BROST CLAßEN berät regelmäßig Influencer, Agenturen und Unternehmen zu allen rechtlichen Fragen im Bereich des Influencer-Marketings und Influencer-Rechts. Die Anwältinnen und Anwälte sind telefonisch, per E-Mail oder Video-Call unkompliziert erreichbar.