Beleidigungen im Internet: Wie sich Betroffene gegen Hass und Hetze wehren können

15. Mai 2023

Inhaltsverzeichnis

Von Rechtsanwalt Yannick Hoppe, LL.M. (Stellenbosch) und stud. iur. Sonja Merzoug

„250″: Das ist die Anzahl der Strafanzeigen, die Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann pro Monat wegen Beleidigungen und Bedrohungen im Internet stellt. Auch Renate Künast und Swasan Chebli sind gegen „HateSpeech“ juristisch vorgegangen. Besonders im Netz gehen die Kommentare immer häufiger über das hinaus, was verfassungsrechtlich als sog. Machtkritik zulässig ist. Beddrohungen, sexistische Beleidigungen oder sonstige Diffamierungen treffen dabei nicht nur Politikerinnen und Politiker – sie sind längst ein gesamtgesellschaftliches Problem. Opfern von Beleidigungen und Bedrohungen stehen verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten offen. Neben dem Strafrecht gibt es auch zivilrechtliche Ansprüche. Wie man sich gegen Hass im Netz wehren kann, wird im folgenden Beitrag erläutert.

Zivilrechtliche Ansprüche bei Beleidigungen („Hate Speech“) und Bedrohungen

Unter dem Begriff „HateSpeech“ werden sprachliche Angriffe verstanden, die auf Merkmale wie Hautfarbe, Herkunft, Sexualität, Alter, Behinderung oder Religion von Menschen zielen. Diese Abwertungen basieren auf der Annahme, dass bestimmte Menschengruppen weniger wert sind als andere. Durch entsprechende Äußerungen werden die Persönlichkeitsrechte der Opfer verletzt – es handelt sich meistens um sog. „Formalbeleidigungen“ oder Schmähkritik.

Ansprüche gegen den Beleidiger

Bei der sprachlichen Verunglimpfung von Personen wird häufig die Grenze der Meinungsäußerungsfreiheit überschritten. Beleidigende Äußerungen müssen von den Betroffenen nicht hingenommen werden. Ein rechtliches Vorgehen auf Unterlassung und ggf. Geldentschädigung ist möglich. Außergerichtlich kann mit einer Abmahnung die Unterlassung der Äußerung vom Täter gefordert werden. Weigert sich der Verfasser, eine Unterlassungserklärung abzugeben, kann der Anspruch mit einer einstweiligen Verfügung gerichtlich durchgesetzt werden. Einstweilige Verfügungen werden von den Gerichten innerhalb kurzer Zeit erlassen. Hiermit kann schnell und effizient gegen die Persönlichkeitsrechtsverletzung vorgegangen werden. Wichtig: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung muss spätestens einen Monat nach Kenntnisnahme der rechtswidrigen Äußerung gestellt werden. Hier ist also Eile geboten.

Bei besonders schwerwiegenden Beleidigungen kann außerdem Geldentschädigung gefordert werden. Das LG Berlin hat zuletzt der Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zugesprochen. Frau Chebli wurde in einer Kolumne des Magazins „Tichy’s Einblick“ vom Autor sexuell beleidigt. Anlass für die Kolumne war die Bundestagskandidatur der ehemaligen Berliner Staatssekretärin. Geldentschädigungen können jedoch nicht im Eilrechtsschutz geltend gemacht werden. Hierfür ist vielmehr eine Klage in der Hauptsache erforderlich.

Problematisch wird es, wenn sich die Täter hinter einem Pseudonym verstecken und in den sozialen Netzwerken nicht mit ihren Klarnamen auftreten. Dann muss der Umweg über die Plattformen gegangen werden.

Ansprüche gegen die Plattform

Betroffene haben einen Auskunftsanspruch gegenüber den Betreibern von sozialen Netzwerken über die Bestandsdaten des Rechtsverletzenden (§ 21 TTDSG). Bei Bestandsdaten handelt es sich um personenbezogene Daten, wie z.B. der Name, das Geburtsdatum, die Anschrift, Telefonnummer oder E-Mail-Adresse. Bei dem Verfahren nach § 21 TTDSG gibt es allerdings einige Hürden:

Die Plattform muss die Auskunft nur auf richterliche Anordnung erteilen. Ein separates Gerichtsverfahren ist notwendig. Die Gerichtskosten für dieses Verfahren müssen vom Betroffenen getragen werden. Weiterhin kann das Verfahren mehrere Monate dauern und ins Leere führen, wenn der Netzwerkbetreiber den Klarnamen des Verfassers gar nicht kennt oder bei der Plattform lediglich eine Fantasie-Mail-Adresse hinterlegt ist. Zudem ist die IP-Adresse, die das Auffinden des Verfassers vereinfachen würde, nicht vom Auskunftsanspruch erfasst. Bei der IP-Adresse handelt es sich nämlich um ein Nutzungsdatum. Nutzungsdaten müssen die Plattformbetreiber momentan nur auf Anforderungen der Ermittlungsbehörden herausgeben. Der Auskunftsanspruch nach § 21 TTDSG wird daher auch als „zahnloser Tiger“ bezeichnet.

Dennoch sollten Hasskommentare unverzüglich beim entsprechenden sozialen Netzwerk gemeldet und die Plattformbetreiber zur Löschung aufgefordert werden. Beleidigungen müssen die Betreiber innerhalb von 24 Stunden löschen. Auf diesem Weg wird zumindest garantiert, dass die Beleidigungen schnell aus dem Netz verschwinden und im besten Fall nicht weiterverbreitet werden.

Wichtig ist, die Beleidigungen über die richtigen Formulare zu melden. Bei Instagram und Facebook findet sich das richtige Formular über das Icon „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Bei Twitter und YouTube kann die Meldung nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz direkt am Beitrag erfolgen. Anwaltliche Schreiben werden zudem in der Regel auf gesondertem Weg eingereicht.

Strafanzeige bei Beleidigung oder Bedrohung

Hasskommentare können außerdem strafrechtlich geahndet werden. Am häufigsten handelt es sich bei den entsprechenden Äußerungen um strafbare Beleidigungen (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung. Es wird empfohlen, die rechtswidrigen Äußerungen bei der Polizei zur Anzeige bringen, denn Äußerungs-Delikte werden von den Ermittlungsbehörden nur auf Antrag verfolgt.

Der Gesetzgeber hat das Strafrecht außerdem verschärft und den Anwendungsbereich des § 188 StGB (Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung) auf Beleidigungen gegen Kommunalpolitiker ausgeweitet. Damit stehen insbesondere die Personen unter dem besonderen Schutz des Strafrechtes, die sich in unserer Gesellschaft politisch engagieren.

Eckpunkte-Papier für Gesetz gegen Hass und Hetze im Netz

Um die private Rechtsdursetzung gegen Hass im Netz zu stärken, plant das Bundesministerium für Justiz ein neues Gesetz gegen digitale Gewalt. Hierfür hat Justizminister Dr. Marco Buschmann unlängst ein Eckpunktepapier mit folgenden Zielsetzungen veröffentlicht:

Stärkung privater Auskunftsverfahren

Betroffene sollen bei offensichtlichen Rechtsverletzungen zukünftig innerhalb weniger Tage herausfinden können, wer die Inhalte verfasst hat. In allen anderen Fällen soll binnen weniger Tage nach Einleitung des Auskunftsverfahrens vom Gericht zumindest eine Datenspeicherung angeordnet werden. Das Auskunftsverfahren soll zukünftig in allen Fällen einer rechtswidrigen Verletzung absoluter Rechte eröffnet sein, z.B. bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, auch wenn die Grenze zur Beleidigung (§ 185 StGB) noch nicht erreicht ist.

Das Justizministerium plant außerdem, den Auskunftsanspruch auf Nutzerdaten auszuweiten. Dann können Betroffene auch die Auskunft über die IP-Adresse des Verfassers der Hasskommentare beanspruchen. Für das Verfahren sollen zukünftig keine Gerichtskosten erhoben werden.

Anspruch auf eine richterlich angeordnete Accountsperre

Bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen soll Betroffenen außerdem ein Anspruch auf Accountsperre eingeräumt werden. Auf Antrag kann ein Gericht dann den Plattformbetreiber verpflichten, den Account, über welchen die Beleidigungen verbreitet werden, zu sperren. Dieses Instrument bietet einen besonderen Mehrwert, wenn die Identität des Accountinhabers nicht bekannt ist. Die Accountsperre darf jedoch zukünftig nur für einen „angemessenen Zeitraum“ angeordnet werden. Damit ist eine permanente Sperrung ausgeschlossen.

Erleichterung der Zustellung

Bereits jetzt müssen die Betreiber von sozialen Netzwerken (die häufig im Ausland sitzen) einen inländischen Zustellungsbevollmächtigen für gerichtliche Dokumente benennen. Die neue Regelung soll darüber hinausgehen und auch die Zustellung von außergerichtlichen Schreiben erfassen. Abmahnungen und Aufforderungen zur Löschung rechtswidriger Inhalte können dann schneller adressiert werden. Durch entsprechende Zustellung lässt sich sicherstellen, dass ein Anbieter von einem in seinem sozialen Netzwerk verbreiteten rechtswidrigen Inhalt Kenntnis erlangt und dadurch dessen Haftung ausgelöst wird. Heutzutage reagieren die Betreiber sozialer Netzwerke oftmals erst auf eine gerichtliche Verfügung. Bis dahin hat der Betroffene viel Zeit und Kosten aufgewendet, ohne dass die Beleidigung aus dem Netz verschwindet.

Ausblick und Kritik

Begrüßenswert ist, dass die Auskunft zukünftig generell bei Verletzung absoluter Rechte möglich ist. Die Anforderungen waren bisher zu hoch. Ebenso kann der Anspruch auf Accountsperre nützlich sein, wenn die Gerichte die Anforderungen hierfür nicht überziehen (wie bisher beim Auskunftsverlangen der Fall). Ein Fortschritt ist auch die Erweiterung des Auskunftsanspruch um die Nutzerdaten. Mit der IP-Adresse können die Täter künftig schneller identifiziert und ausfindig gemacht werden.

Bei der Erleichterung der Zustellung bedarf es der Nachschärfung: Erneut sollen nur „soziale Netzwerke“ verpflichtet sein, einen Zustellbevollmächtigten im Inland zu benennen. Große Gefahren für die Persönlichkeitsrechte gehen aber auch von Suchmaschinen, Portalen und weiteren Host-Providern aus. Diese Dienste werden aber weiterhin nicht verpflichtet, einen Zustellbevollmächtigten im Inland zu benennen. Verlinkte Beleidigungen z.B. in der Google-Suchmaschine bleiben damit ein Problem, wenn es um die effektive Rechtsdurchsetzung geht.


Hilfe durch spezialisierten Anwalt bei Beleidigung, Hassrede oder Drohungen

Wenn Sie von Beleidigung, Hassrede oder Drohungen betroffen sind, helfen Ihnen die Anwälte von BROST CLAßEN gerne. BROST CLAßEN ist auf den Schutz von (Unternehmens-) Persönlichkeitsrechten spezialisiert. Die Anwälte sind unter mail@brostclassen.de oder 0221 48 55 77 90 unkompliziert erreichbar.

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