Unzulässige Verdachtsberichterstattung im Ausland: Einstweilige Verfügung öffentlich zugestellt

19. Oktober 2023

Das Landgericht Duisburg hat auf Antrag von BROST CLAßEN im gerichtlichen Eilverfahren mehrere Artikel über Korruptionsvorwürfe gegen einen ehemaligen Manger eines großen Energiekonzerns untersagt. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe für den Bau eines Kraftwerkes. Durch die Berichterstattung wurden die Persönlichkeitsrechte des Mandanten verletzt, weil die Voraussetzungen für eine identifizierende Verdachtsberichterstattung nicht eingehalten wurden.

Untersagung der Verdachtsberichterstattung durch einstweilige Verfügung

Eine Verdachtsberichterstattung ist nach der Rechtsprechung des BGH nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig (BGH NJW 2022, 1751, Rn. 29):

„Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist“.

Im vorliegenden Fall wurden gleich mehrere Voraussetzungen nicht eingehalten. Schon die zentrale Voraussetzung für eine Verdachtsberichterstattung lag nicht vor. So gibt es keinen Mindestbestand an Beweistatsachen für die Vorwürfe. Darüber hinaus wurde nicht ordnungsgemäß angehört. Schließlich war eine Namensnennung des in der breiten Öffentlichkeit unbekannten Managers angesichts der schwerwiegenden Folgen der Berichterstattung nicht gerechtfertigt.

Weil die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung nicht eingehalten wurden, hat das Gericht die Berichterstattung innerhalb weniger Tage nach der Antragstellung durch BROST CLAßEN untersagt.

Auslandszustellung der einstweiligen Verfügung

Damit eine einstweilige Verfügung wirksam wird, muss sie der Gegenseite zugestellt werden. Dies war hier nicht unproblematisch, weil das berichtende Medium seinen Sitz im außereuropäischen Ausland hat. Die Zustellung richtete sich demzufolge nach den Vorgaben des Haager Zustellungsübereinkommen, einer völkerrechtlichen Vereinbarung über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen. Dieses Verfahren kann leider dauern und ein Wirksamwerden der gerichtlichen Untersagung verzögern.

Auslistung bei Google nach öffentlicher Zustellung

Wenn eine Auslandszustellung zu lange dauert oder nicht erfolgsversprechend ist, kann eine einstweilige Verfügung gemäß § 185 Nr. 3 ZPO auch öffentlich zugestellt werden. Sie wird in diesem Fall bei Gericht ausgehangen, wodurch sie wirksam wird. Im vorliegenden Fall haben wir diesen Weg parallel zur „normalen“ Auslandszustellung gewählt. Aus folgendem Grund ist dies sinnvoll:

Bei einer rechtswidrigen Berichterstattung geht es in der Regel auch darum, die Auffindbarkeit bei Google schnell zu beseitigen. Google listet Sucheinträge oft aber nur dann aus, wenn eine wirksame – also zugestellte – gerichtliche Untersagungsverfügung vorliegt. Aus diesem Grund kann der Weg über die öffentliche Zustellung sinnvoll sein, wenn die „normale“ Auslandszustellung zu lange dauert oder nicht erfolgsversprechend ist.

Im vorliegenden Fall konnte auf diese Weise die einstweilige Verfügung zugestellt und eine Auslistung der rechtswidrigen Artikel aus der Google Suche erreicht werden. Eine Vollstreckung der einstweiligen Verfügung bei einer Wiederholung der Rechtsverletzung ist ebenfalls möglich.

Rechtsanwalt Dr. Jörn Claßen:

„Eine Verdachtsberichterstattung ohne einen Mindestbestand an Beweistatsachen ist unzulässig. Dies gilt erst recht dann, wenn der Betroffene in der Berichterstattung namentlich genannt wird. In diesen Fällen können Existenzen sehr schnell zerstört werden. Um dies zu verhindern, muss schnell gehandelt werden. Bei einer rechtswidrigen Auslandsberichterstattung kann die Auslandszustellung einer einstweiligen Verfügung zum Problem werden, z.B. weil dieser Vorgang zu lange dauert oder es keine zustellfähige Anschrift gibt. Eine Alternative kann dann die öffentliche Zustellung sein. Die Gerichtsentscheidung wird hierdurch wirksam und kann u.a. für eine Auslistung der rechtswidrigen Inhalte aus Suchmaschinen wie Google genutzt werden.“

Rechtsanwalt Yannick Hoppe, LL.M. (Stellenbosch):

„Online-Berichterstattung im Ausland hat durch die Verlinkung in den Google-Suchergebnissen auch erhebliche Auswirkungen im Inland. Eine effektive Rechtsdurchsetzung ist häufig schwierig, wenn die Medien im Ausland sitzen. Gerade im Eilrechtsschutz ist eine lang andauernde Zustellung nicht akzeptabel. Nach der Rechtsprechung kann daher unter bestimmten Voraussetzungen alternativ eine öffentliche Zustellung beantragt werden. Nach dieser Zustellung kann die Verfügung z.B. für Google-Auslistungen genutzt werden.


Verdachtsberichterstattung – Beratung durch spezialisierten Anwalt

Die Anwälte der Kanzlei BROST CLAßEN beraten Behörden, Unternehmen, Verbände sowie Personen und bekannte Persönlichkeiten in medienrechtlichen Angelegenheiten.

Aus presserechtlichen Gründen ist der Sachverhalt anonymisiert geschildert. Nachfragen zur Gerichtsentscheidung können an Anwalt Dr. Jörn Claßen gerichtet werden.

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Yannick Hoppe, LL.M. (Stellenbosch)