„Kindeswohlgefährdung durch kommerzielle Veröffentlichung von Kinderfotos und -videos im Internet“ – BROST CLAßEN erstellt Rechtsgutachten zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Kindern für Campact und Deutsches Kinderhilfswerk

17. Dezember 2024

Einleitung

Dr. Jörn Claßen, Dr. Lea Schwob und Dr. Richard Kindling haben im Auftrag von Campact und des Deutschen Kinderhilfswerks ein Rechtsgutachten mit dem Titel „Kindeswohlgefährdung durch kommerzielle Veröffentlichung von Kinderfotos und -videos im Internet“ erstellt. In dem Gutachten haben sie ein Schutzkonzept für die Veröffentlichung von kommerziellen Kinderfotos im Internet entwickelt. Durch das neue Schutzkonzept sollen Kinderrechte im digitalen Raum gestärkt werden. Zugleich erhalten u.a. Eltern, Behörden und Gerichte eine rechtliche Orientierungshilfe in Bezug auf die Veröffentlichung von Kinderfotos.

Problemlage

Für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist es essentiell, dass sie in einer sicheren Umgebung mit geschützten Rückzugsorten aufwachsen. Hüter dieser Rückzugsorte sollten die Eltern sein. Zunehmend ist es jedoch so, dass gerade Eltern durch unbedachtes Teilen von Fotos ihrer Kinder im Internet die Tür zum Kinderzimmer für ein unbekanntes Online-Millionenpublikum öffnen (sog. „Sharenting“). Nicht selten werden Kinder dabei in peinlichen, emotionsgeladenen oder gar intimen Situationen gezeigt. Gerade im Bereich des Influencer Marketings werden Kinder zudem zu Werbezwecken instrumentalisiert. Daraus resultieren Gefahren, wie die unkontrollierte Verbreitung der Fotos, schlimmstenfalls auch in pädokriminellen Netzwerken. Dieser Gefahren sind sich Eltern oftmals nicht bewusst, weil es an Information oder Medienkompetenz fehlt. Darüber hinaus werden Persönlichkeitsrechte von Kindern gezielt durch ihre Eltern zu Werbezwecken missbraucht.

Bedenklicher Status quo ist, dass durch derartiges „Sharenting“ die Persönlichkeitsrechte von Kindern täglich tausendfach in den sozialen Netzwerken verletzt werden. Dies liegt auch daran, dass es keine klaren rechtlichen Regeln zum Umgang mit Kinderfotos im Internet gib. Diese Schutzlücke trifft die schutzbedürftigste Gruppe in unserer Gesellschaft: Kinder und Jugendliche. Um diese Lücke zu schließen, haben sie in deren Rechtsgutachten ein altersabhängiges Schutzkonzept entwickelt.

Rechtsgutachten zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Kindern

Schwerpunkt und Ziel dieses Gutachtens ist die Prüfung sowie Darstellung, wann durch die Veröffentlichung von Kinderfotos im Internet eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne des § 1666 BGB anzunehmen ist. Untersucht wurde dabei u.a. eine Kindeswohlgefährdung durch Veröffentlichung von

  • intimen Fotos,
  • Fotos von kranken oder verletzten Kindern,
  • alltägliche Kinderfotos
  • und Fotos zu Werbezwecken.

 Auf der Rechtsfolgenseite wird dargestellt, wie Kinder bei einer Kindeswohlgefährdung infolge entsprechender Veröffentlichungen geschützt werden können. Insgesamt bezieht sich das Gutachten dabei ausschließlich auf kommerzielle Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Netzwerken wie insbesondere Instagram.

Altersabhängiges Schutzkonzept

Ausgangspunkt für das im Gutachten entwickelte Schutzkonzept sind die Interessen des Kindes und dessen Einsichtsfähigkeit in Bezug auf eine Einwilligung in die Veröffentlichung von Fotos. Das Konzept sieht vier altersabhängige Stufen vor:

  • 1. Stufe: Bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres gilt ein vollumfängliches Veröffentlichungsverbot, da Kinder in diesem Lebensabschnitt besonders schutzbedürftig sind.
  • 2. Stufe: Ab dem 7. Lebensjahr: Bei fehlender Meinungsbildungs- und Einsichtsfähigkeit des Kindes gilt ebenfalls ein Veröffentlichungsverbot. Die Einsichtsfähigkeit fehlt regelmäßig bis zum 10.-12. Lebensjahr. Eine Veröffentlichungsbefugnis der Eltern besteht ausnahmsweise nur bei zusätzlicher Einwilligung durch einen Ergänzungspfleger.
  • 3. Stufe: Bei bestehender Meinungsbildungs- Einsichtsfähigkeit, d.h. ab dem 10.-12. Lebensjahr, ist aus kinderrechtlicher Sicht von einer Doppelzuständigkeit für die Erteilung der Einwilligung für die Veröffentlichung kommerzieller Kinderfotos anzunehmen. Das Kind muss somit aktiv neben den Eltern in die Veröffentlichung einwilligen.
  • 4. Stufe: Ab dem 16. Lebensjahr ist eine Alleinentscheidungsbefugnis des Kindes anzunehmen.

Das Einwilligungskonzept kann zunächst durch gerichtliche Entscheidungen oder alternativ durch eine gesetzliche Normierung umgesetzt werden. Zudem sollten die Jugendämter sowie die Landesmedienanstalten in die Überwachung der Vorgaben eingebunden werden. Zur Umsetzung des Einwilligungskonzepts ist schließlich eine hinreichende Vermittlung von Medienkompetenz der betroffenen Akteure essenziell. Sowohl die Eltern als auch die Kinder sowie die hinzuzuziehenden Ergänzungspfleger sind ausreichend zu schulen und zu informieren, um entsprechende Entscheidungen treffen bzw. Handlungen vornehmen zu können und das Einwilligungskonzept kinderrechtskonform umzusetzen.

Soweit Kinder und Jugendliche Einnahmen durch die Veröffentlichung von Fotos erzielen, etwa im Bereich des Influencer Marketings, sind diese auf ein Treuhandkonto zugunsten des minderjährigen Kindes einzuzahlen und dem Kind nach Erreichen der Volljährigkeit auszuzahlen.

Rechtsanwalt Dr. Jörn Claßen, Mitverfasser des Rechtsgutachtens:

„Eine zentrale Aufgabe von Eltern ist es, ihre Kinder und deren Rechte zu schützen. Dazu zählen auch die Persönlichkeitsrechte. In Zeiten von Social Media und Influencer-Marketing kommt dies oftmals zu kurz, weswegen es eines konkret formulierten Rahmens bedarf, der Eltern, aber auch Kooperationspartnern Orientierung gibt und klare Grenzen setzt. Wir haben mit unserem Schutzkonzept einen Rahmen für die kommerzielle Veröffentlichung von Kinderfotos und -videos im Internet geschaffen.“

Rechtsanwältin Dr. Lea Schwob, Mitverfasserin des Rechtsgutachtens:

„Der Schutz von Kinderrechten findet in der heutigen digitalen Welt zu wenig Beachtung. Durch das Phänomen des „Sharentings“ wird Kindern die Entscheidung über das Ob und Wie des eigenen digitalen Fußabdrucks genommen. Mit unserem Gutachten haben wir ein rechtliches Schutzkonzept geschaffen, mit dem die Persönlichkeitsrechte von Kindern geschützt und Missbrauch durch die Veröffentlichung von Kinderfotos und -videos verhindert werden können.“

Rechtsanwalt Dr. Richard Kindling, Mitverfasser des Rechtsgutachtens:

„Täglich verletzen Eltern durch die Veröffentlichung von Kinderfotos und -videos auf Facebook, Instagram, Twitter und TikTok die Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder. Unser Gutachten ist ein wichtiger Beitrag, um hinsichtlich Kindeswohlgefährdungen zu sensibilisieren und die derzeitigenrechtlichen Rahmenbedingungen sowie zukünftige Regulierungsalternativen aufzuzeigen.“

Zum Gutachten:

https://blog.campact.de/wp-content/uploads/2024/12/gutachten-kindeswohlgefaehrdung-durch-kommerzielle-veroeffentlichung-von-kinderfotos-im-netz-campact-deutsches-kinderhilfswerk.pdf

Aus den Medien:

https://www.zeit.de/digital/internet/2024-12/family-influencer-kinderfotos-werbebilder-soziale-medien-kindeswohlgefaehrdung/komplettansicht#print


BROST CLAßEN zählt zu den führenden Kanzleien im Medien- und Presserecht in Deutschland. Die Kanzlei ist auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte von Unternehmen und Persönlichkeiten spezialisiert. Ein besonderes Anliegen ist der Schutz von Kindern im digitalen Umfeld.