Haftung von Providern für rechtswidrige Inhalte im Internet

9. August 2022

Inhaltsverzeichnis

Haftung Provider

Wer haftet für rechtswidrige Inhalte auf Webseiten, Suchmaschinen, Bewertungsportalen, Blogs und in den sozialen Medien? Die naheliegende Antwort: Der sich Äußernde bzw. der für die Inhalte Verantwortliche. Was aber, wenn diese Person nicht greifbar ist, weil sie sich zum Beispiel hinter einem Pseudonym versteckt? In diesen Fällen ist oft nur der Provider als direkter Ansprechpartner vorhanden. Die Haftung der unterschiedlichen Provider wird in diesem Beitrag beleuchtet.

Haftung des Content-Providers

Content-Provider stellen Inhalte zum Kauf oder zur freien Nutzung auf Online-Plattformen bereit. Neben den Inhabern einer Internetseite sind beispielsweise auch Nutzer der sozialen Medien, die Unterseiten mit einer kommunikationsbezogenen Eigenständigkeit unterhalten, als Content-Provider anzusehen.

Verbreitet ein Content-Provider rechtswidrige Äußerungen im Internet, dann kommt zunächst dieser als primärer Adressat von medienrechtlichen Maßnahmen in Betracht.

Gemäß § 7 I TMG sind Content-Provider als Diensteanbieter[1] für eigene Informationen, die sie zur Nutzung im Internet verbreiten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Im Falle einer Veröffentlichung rechtswidriger Inhalte sind Content-Provider somit unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Sie haften für unzulässige Äußerungen, Urheber-, Marken- oder Wettbewerbsrechtsverletzungen unter anderem auf Löschung, Unterlassung, Schadensersatz und Kostenerstattung.

Haftung des Host-Providers

Neben der Haftung des Content-Providers für rechtswidrige Inhalte kommt eine medienrechtliche Verantwortlichkeit des Host-Providers in Betracht. Host-Provider sind Internetunternehmen, die fremde Inhalte Dritter auf ihren Servern oder Plattformen zur Verfügung stellen.

Gemäß § 10 TMG haften Host-Provider grundsätzlich nicht unmittelbar für fremde rechtsverletzende Inhalte Dritter.[2] Host-Provider sind auch nicht verpflichtet, gespeicherte Daten präventiv vor einer etwaigen Zugänglichmachung auf Rechtsverletzungen zu überprüfen, § 7 II TMG.[3]

Allerdings greifen Prüf- und Reaktionspflichten, sobald einem Host-Provider eine hinreichend konkrete und den rechtlichen Erfordernissen entsprechende Beschwerde des Inhabers eines gegebenenfalls verletzten Rechts zugeht.[4] Der Host-Provider muss dann prüfen, ob der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen bejaht werden kann.[5]

Wenn eine Rechtsverletzung vorliegt, dann muss der Provider unmittelbar reagieren und den Inhalt von seiner Plattform löschen. Zudem muss der Plattformanbieter verhindern, dass identische Rechtsverletzungen auf der Plattform wiederholt werden.

Wenn zur Aufklärung des Sachverhaltes auch die Stellungnahme des für den Inhalt direkt Verantwortlichen erforderlich ist, dann muss der Host-Provider die Stellungnahme einholen. Wenn die Stellungnahme ausbleibt oder unzureichend ist, muss der Host-Provider den betreffenden Inhalt löschen. Kommt der Host-Provider seinen Prüf- und Reaktionspflichten nicht nach, dann haftet er als sogenannter Störer.

Haftung des Access-Providers, Registrars und Nameservers

Nachrangig ist eine Inanspruchnahme des Access-Providers, Registrars und des Nameservers möglich.

Haftung des Access-Providers

Access-Provider sind technische Dienstleister im Sinne der § 2 Nr. 1, § 8 I S. 1 TMG, die eine Internetverbindung bereitstellten. Bekannte Access-Provider in Deutschland sind beispielsweise die Deutsche Telekom, 1&1 oder Vodafone.

Da Access-Provider lediglich den Zugang zum Internet ermöglichen und keinen direkten Einfluss auf Inhalte haben, die auf Internetseiten veröffentlicht werden, sind Überwachungs- und Sperrmaßnahmen nach Auffassung des BGH restriktiv einzufordern.

Grundsätzlich müssen sich Access-Provider für die Durchleitung von Informationen nicht verantworten, wenn sie die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben, § 8 I – III TMG.

Erst wenn eine Rechtsverfolgung gegenüber denjenigen Beteiligten, die entweder die Rechtsverletzung selbst begangen oder unmittelbar zu der Rechtsverletzung beigetragen haben, nicht möglich ist,[6] können Maßnahmen gegenüber Access-Providern berechtigt sein.[7] Die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Zugangsvermittlern ist insofern erst dann verhältnismäßig, wenn einer Inanspruchnahme des Betreibers oder Host-Providers einer Webseite jede Erfolgsaussicht fehlt.[8]

Nach der Entscheidung des BGH bestehen insbesondere drei Möglichkeiten, den Unterlassungsanspruch durch Zugangssperren hinreichend effektiv durchzusetzen. Danach sind DNS (Domain Name System)-, IP (Internet Protocol)- und URL (Uniform Resource Locator)-Sperren durch den Access-Provider denkbar.[9]

Haftung des Registrars

Registrare organisieren die administrative Abwicklung der Domainregistrierung einer Webseite. Letztlich ermöglicht der Registrierungsvorgang einer Domain technisch die Auffindbarkeit etwaiger Inhalte im Internet.

Zugleich beeinflusst der Registrar über die Pflege des Domain Name System (DNS) die tatsächliche Verbindung („Konnektierung“) zwischen einer Domain und einer IP-Adresse, unter der ein bestimmter Inhalt zugänglich ist.[10] Somit gewährleistet die Tätigkeit des Registrars zunächst ebenfalls lediglich die Erreichbarkeit eines Internetangebots. Demzufolge sind die Erwägungen der Inanspruchnahme eines Access-Providers auf die Haftung der Registrare übertragbar.[11]

Erforderlich ist also ein ausdrücklicher Hinweis[12] auf eine „klare und ohne Weiteres feststellbare Rechtsverletzung“.[13] Es gilt das „Notice-and-action-Verfahren“.[14]

Darüber hinaus muss der Rechteinhaber zunächst erfolglos gegen die Beteiligten vorgegangen sein, die rechtswidrige Äußerungen verbreiten oder zur Rechtsverletzung unmittelbar beigetragen haben.[15]

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, greift eine Handlungspflicht zur dauerhaften Sperrung rechtswidriger Inhalte („Take down“ und „Stay down“).

Haftung des Nameservers

„DNS“- (Domain Name System) oder Nameserver verwalten die technischen Informationen, welche IP-Adresse eines Hosting-Servers mit welchem Domain-Namen verbunden ist. Damit verwalten „DNS“- oder Nameserver faktisch die Daten, welche Registrare administrativ organisieren.

Technisch übersendet der Nameserver im Falle des Aufrufens einer Domain die entsprechende IP-Adresse des Servers, auf dem die mit der Domain verbundenen Informationen gespeichert sind (Hosting-Server). Sodann kann das Endgerät des Internetnutzers eine direkte Verbindung zum Hosting-Server aufbauen.

Im Ergebnis handelt es sich dabei ebenso wie die generelle Gewährleistung des Zugangs zum Internet durch den Access-Provider sowie die Domainregistrierung einer Webseite durch den Registrar um eine im Hinblick auf Rechtsverletzungen neutrale Dienstleistung.

Demzufolge sind die Erwägungen und Grundsätze der nachrangingen Haftung von Access-Providern und Registraren auf die Betreiber eines Nameservers übertragbar.

Fazit

Um eine Weiterverbreitung rechtswidriger Inhalte so schnell wie möglich zu unterbinden, ist die Haftung aller Akteure in Betracht zu ziehen, die an einer Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten in irgendeiner Weise beteiligt sind. Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme sind nach der Intensität ihres Verursachungsbeitrags gestaffelt. Sollte eine unmittelbare Inanspruchnahme der Content und Host-Provider nicht erfolgreich sein, ist nachrangig die Haftung der Access-Provider, Registrare und Nameserver möglich.

Geschrieben von Rechtsanwalt Dr. Jörn Claßen und Ref. iur. Richard Kindling

____________________________________________

BROST CLAßEN ist auf das Medienrecht spezialisiert. Die Anwälte sind ausgewiesene Experten für die Rechtsverteidigung gegen sämtliche Provider wie Google, Facebook oder Bewertungsportale. Für Fragen und Anliegen sind sie unter mail@brostclassen.de oder 0221 48 55 77 90 unkompliziert erreichbar.


[1] Diensteanbieter ist gemäß § 2 Nr. 1 TMG ist jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt.

[2] Wagner, GRUR 2020,447; Nach dem Wortlaut des EGMR würde eine vollumfängliche Haftung der Internet-Intermediäre für rechtsverletzende Inhalte Dritter dazu führen, „exzessive und unpraktikable Voraussicht zu verlangen, welche die Freiheit untergraben kann, im Internet Informationen zu verbreiten“, vgl. EGMR NJW 2017, 2091, 82; So im Ergebnis auch BGH, GRUR 2012, 312, 313.

[3] Wagner, GRUR 2020,447; Im Gleichklang verpflichtet die Rechtsprechung des BGH etwaige Plattformbetreiber ausdrücklich nicht dazu, jedes Angebot und jeden Nutzerinhalt bereits vor einer Veröffentlichung im Internet auf seine Legalität hin zu kontrollieren, vgl. Wagner, GRUR 2020,447 bezugnehmen auf BGHZ 158, 236, 251; BGH GRUR 2013, 370 Rn. 28; BGH, GRUR 2015, 48 Rn. 51.

[4] Wagner, GRUR 2020,447, 448 unter anderem bezugnehmen auf BGHZ 158, 236, 252.

[5] BGH GRUR 2016, 855 Rn. 24.

[6] BGH, GRUR, 2016, 268, 278; So ausdrücklich hinsichtlich etwaiger Verletzungen des Rechts am geistigen Eigentum vgl. § 7 Abs. 4 TMG.

[7] Wobei es sich dabei nach Auffassung von Teilen der Literatur nicht um einen „Subsidiaritätsgrundsatz“ handle, vgl. Müller, MMR 2019, 426, 429.

[8] Der Betreiber der Webseite und der Host-Provider stehen der Rechtsgutsverletzung wesentlich näher sind als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt.

[9] BGH, GRUR, 2016, 268.

[10] Darüber hinaus kann der Registrar die Registrierungsstelle zur „Dekonnektierung“ einer Domain veranlassen. Etwaige Inhalte sind sodann unter der jeweiligen Domain nicht mehr auffindbar.

[11] BGH, MMR 2021, 138, 140.

[12] Der die Haftung des Registrars auslösende Hinweis muss sich auf alle für die Haftungsbegründung relevanten Umstände – Rechtsverletzung, weit überwiegende Bereitstellung illegaler Inhalte sowie erfolglose oder unmögliche vorrangige Inanspruchnahme anderer Beteiligter – beziehen und insoweit hinreichend konkrete Angaben enthalten.

[13] BGH, MMR 2021, 138, 140.

[14] Hofmann, NJW 2021, 274, 275.

[15] Hofmann, NJW 2021, 274, 275.

Weiterer Beitrag: