Kinderfotos im Internet – anwaltliche Einschätzung

29. November 2022

Inhaltsverzeichnis

Kinderfotos im Internet

Geschrieben von Rechtsanwalt Dr. Jörn Claßen, Ref. iur. Richard Kindling und Ref. iur. Richard Kauffmann

Die Veröffentlichung von Kinderfotos im Internet ist ein allgemeiner Trend. Insbesondere in sozialen Medien wie Instagram, Facebook und Co. teilen sowohl Influencerinnen als auch Privatpersonen fleißig Bilder des eigenen Nachwuchses. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Derlei intime Einblicke in das Familienleben sind beliebt, weil sie nahbar sind, und erhöhen so die eigene Reichweite. Bekannte Influencer schrecken sogar nicht davor zurück, ihre wenige Monate alten Babys dauerhaft einem unbekannten Publikum zu präsentieren.

Nicht nur eine kommerzielle Verwertung von Kinderfotos stößt regelmäßig auf berechtigte Kritik innerhalb der Gesellschaft. Bereits das vermeintlich private Posten von Kinderfotos im Status von WhatsApp oder anderen Messenger-Apps ist problematisch. Der folgende Beitrag zeigt die Gefahren einer Veröffentlichung von Kinderfotos im Internet auf und erläutert die rechtlichen Rahmenbedingungen.

„Das Internet vergisst nie“

Jeder kennt ihn, den geflügelten Spruch vom Internet, das nie vergisst. Doch an Aktualität hat er nicht eingebüßt. Sind Daten wie Kinderfotos einmal im Internet publiziert, verbreiten diese sich oftmals rasant und unbemerkt. Auf Instagram gepostete Kinderfotos können einfach per Screenshot gespeichert werden. Der Postende verliert die Kontrolle über die Daten. Es entsteht so die Gefahr, dass insbesondere intime Fotos und Videos zweckentfremdet werden.

Es ist also tatsächlich Vorsicht geboten. Das Entfernen von im Internet veröffentlichten Informationen verläuft oft schwerfällig und mühsam. Nicht zuletzt wegen der gelinde gesagt passiven Haltung der großen Internet-Plattformen im Umgang mit Löschungsaufforderungen ihrer User ist eine anwaltliche Durchsetzung entsprechender Ansprüche zum Teil unumgänglich. Und selbst gelöscht geglaubte Fotos können, soweit sie einmal öffentlich im Internet zugänglich waren, von Dritten vorübergehend auf externen Speicherplattformen abgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt erneut veröffentlicht werden.

Vielfältiges Missbrauchspotential

Das unbedachte Veröffentlichen von Kinderfotos auf Facebook, Instagram und Co. kann dem betroffenen Kind auf unterschiedlichste Art und Weise schaden.

Pädophile Netzwerke

Es sind Fälle bekannt, in denen Bilder in pornografischen und/oder pädophilen Netzwerken, Foren und E-Mail-Verteilern aufgefunden werden. Solche existieren gerade im Darknet zuhauf. Exponiert sind dabei nicht nur Fotos und Videos, die Kinder in freizügiger Weise zeigen. Auch vermeintlich harmlose Bilder, z.B. von einem lächelnden Kind, können pädophile Menschen triggern. Immer häufiger suchen einschlägige Täterkreise deshalb gezielt nach fahrlässig im Internet verbreiteten Daten, um diese in einschlägigen Gruppen zu verbreiten.

Cybermobbing

Neben sexualisiertem Missbrauch bieten intime Kinderfotos und -videos immer wieder den Anlass für Cybermobbing unter Altersgenossen. Oftmals schämen sich Kinder für Fotos, die sie selbst oder ihre Eltern in der Vergangenheit von ihnen angefertigt haben. Das gilt insbesondere für freizügige Kleinkinderfotos und vertraulich versendete Nacktbilder. Die psychische Belastung, die mit der öffentlichen Bloßstellung solcher Fotos im Internet durch andere einhergeht, kann erheblich sein.

Digitale Nachbearbeitung

Zudem lassen sich heutzutage auch vermeintlich harmlose Fotos leicht digital nachbearbeiten, sodass betroffene Kinder auch auf diesem Wege Gefahr laufen, an den „Online-Pranger“ gestellt oder diffamiert zu werden. Je mehr Bilder eines Kindes im Internet verfügbar sind, desto detaillierter zeichnet sich dessen digitale Identität ab. Ob diese digitale mit der analogen Identität übereinstimmt, interessiert im Lichte der erregungsökonomisch designten Social Media-Plattformen oftmals nicht.

Mit diesen vielfältigen, realen Gefahren im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Kinderfotos im Netz gehen strenge rechtliche Rahmenbedingungen einher.

Datenschutzrechtliche Voraussetzungen für die Veröffentlichung von Kinderfotos im Internet

Die Veröffentlichung von Kinderfotos im Netz unterliegt als „Verarbeitung personenbezogener Daten“ den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Etwas anderes gilt nur, wenn die Bilder nicht öffentlich gepostet, sondern ausschließlich mit engen Familienangehörigen oder vergleichbaren Vertrauenspersonen geteilt werden. Im Bereich dieser sog. Haushaltsausnahme findet die DSGVO keine Anwendung (Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO).

Postings in sozialen Netzwerken unterfallen dieser Ausnahme jedoch nicht. Sie sind datenschutzrechtlich daher nur dann zulässig, wenn einer der Erlaubnistatbestände aus Art. 6 DSGVO einschlägig ist.

Interessen des Kindes überwiegen

Ob die Eltern mit der Veröffentlichung „berechtigte Interessen“ wahrnehmen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO), erscheint zweifelhaft. Das erfordert eine Abwägung der widerstreitenden Interessen, die jedoch kaum zugunsten der Eltern ausfallen dürfte. Zum einen stehen dem – plakativ gesprochen – bloßen Selbstdarstellungsinteresse der Eltern die gewichtigen EU-Grundrechte des Kindes auf Privatleben und Datenschutz gegenüber. Zum anderen stellt das Gesetz bereits eine Vermutung dafür auf, dass die Interessen des Kindes überwiegen. Dahinter steht die Erwägung, dass Kinder die Folgen von Datenverarbeitungen im Internet oftmals nicht voll überblicken können und daher besonderen Schutz verdienen.

Wirksame Einwilligung erforderlich

Es bleibt regelmäßig nur eine Rechtfertigung über die Einwilligung des Kindes in die Veröffentlichung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a) DSGVO). Diese muss qua Gesetz freiwillig und informiert erteilt werden. Eine informierte Einwilligung kann indes nur erteilen, wer die nötige Einsichtsfähigkeit besitzt, um die aus dem Fotoupload resultierenden Konsequenzen erfassen zu können. Bei sog. Diensten der Informationsgesellschaft – hierzu zählen insbesondere soziale Netzwerke wie TikTok, Snapchat und Co. – gelten Kinder pauschal erst ab 16 Jahren als einsichtsfähig (Art. 8 Abs. 1 DSGVO). Hieraus wird gefolgert, dass die Einsichtsfähigkeit in allen anderen Fällen jeweils im Einzelfall festgestellt werden muss.

Ist ein Kind nicht einsichtsfähig, könnten stattdessen die Eltern als gesetzliche Vertreter in dessen Namen die Einwilligung erteilen. Ob das rechtlich möglich ist, ist noch nicht gerichtlich geklärt. Die erst 2018 in Kraft getretene DSGVO trifft hierzu keine Aussage. Es sprechen aber stichhaltige Argumente dafür, eine solche „Ersetzungsbefugnis“ abzulehnen. Denn die Eltern befinden sich augenfällig in einem Interessenkonflikt: Einerseits sind sie als Postende Gefährder der Datenschutzinteressen des Kindes, andererseits sind sie zum Schutz derselben berufen. Denn im Rahmen ihrer elterlichen Sorge sind die Eltern zum Schutz der ungestörten Persönlichkeitsentwicklung als Teil des Kindeswohls verpflichtet, mithin auch zur Wahrung der kindlichen Privatsphäre. Angesichts dieser Interessenkollision liegt es nahe, die familienrechtlichen Vertretungsbeschränkungen auf das Datenschutzrecht zu übertragen: Nach § 1629 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1795 Abs. 2 BGB i.V.m. § 181 BGB besteht die Vertretungsmacht von Eltern dort nicht, wo sie im Namen des Kindes eine Erklärung gegenüber sich selbst abgeben müssten („Insichgeschäft“).

Posten von Kleinkinderfotos rechtswidrig

Folgt man dem, kommt eine Rechtfertigung über die Einwilligung grundsätzlich erst ab Einsichtsfähigkeit des Kindes an. Insbesondere das Posten von Kleinkinderfotos ist demnach schlechterdings rechtswidrig. Dem Kind stehen in solchen Fällen (jedenfalls auf dem Papier) datenschutzrechtliche Löschungs- und Unterlassungsansprüche gegen seine Eltern zu.

Das Recht des Kindes am eigenen Bild

Kinder haben ein Recht darauf, ihre Persönlichkeit unter besonderem Schutz vor der Öffentlichkeit frei zu entfalten. Dieses sogenannte allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) hat unterschiedliche Facetten, unter anderem das in den §§ 22, 23 KUG geregelte Recht am eigenen Bild. Nach § 22 Satz 1 KUG ist die Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen, vorbehaltlich der Ausnahmen in § 23 KUG, nur mit Einwilligung des Abgebildeten zulässig.

Ein „Bildnis“ liegt bereits vor, wenn die abgebildete Person berechtigterweise befürchten muss, identifiziert zu werden – und sei es auch nur durch den eigenen Bekanntenkreis. Das ist bei Kinderfotos, die über private Social Media-Accounts auf Facebook, Instagram und Co. gepostet werden, regelmäßig der Fall. Anderes dürfte allein dann gelten, wenn das fotografierte Kind unkenntlich gemacht wurde. Werden Bilder von Kindern auf Instagram und Co. gepostet, stellt dies auch eine „Verbreitung“ im Sinne von § 22 Satz 1 KUG dar. Hierfür genügt es, dass die adressierte Öffentlichkeit nicht mehr kontrollierbar ist. Das nimmt die Rechtsprechung bereits an, wenn ein Foto oder Video über einen Messenger wie WhatsApp mit nur einer Person geteilt wird. Und wer Kinderfotos auf seinen Social Media-Accounts hochlädt, der hat erst recht keinen Einfluss mehr darauf, wer das Bild zur Kenntnis nimmt.

Kindergeburtstag kein Ereignis der Zeitgeschichte

Damit ist für eine medienrechtliche Zulässigkeit von Kinderfotos im Internet regelmäßig nur noch dann Raum, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 23 KUG greift. Manche Stimmen erwägen, ob Kinderfotos auf Elternblogs als „Ereignisse der Zeitgeschichte“ gelten (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG). Die hier erforderliche Abwägung dürfte jedoch grundsätzlich zugunsten des Kindes ausfallen. Denn Bestandteil des durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Rechts auf Persönlichkeitswerdung ist es, dass Kinder davor geschützt werden, dass in der Öffentlichkeit Fremdbilder entstehen, die sie an der unbefangenen Entwicklung sozialer Beziehungen hindern können. Den Kindern muss mit anderen Worten ein nicht ausgeleuchteter Spielraum zur Selbstdefinition überlassen bleiben.

Ansprüche der Kinder

Verstößt ein auf Instagram, Facebook und Co. veröffentlichtes Kinderfoto – wie regelmäßig – gegen die §§ 22, 23 KUG, löst dies über § 1004 BGB analog i.V.m. § 823 II BGB einen Unterlassungsanspruch aus. Dieser kann übrigens grundsätzlich auch gegenüber dem sozialen Netzwerk selbst geltend gemacht werden, das dem Verletzten als Störer haftet (https://brostclassen.de/medialawblog/haftung-von-providern/). Bei besonders schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts können Kinder – auch später im Erwachsenenalter – sogar eine Geldentschädigung verlangen.

Fazit und Handlungsempfehlung

Wer Fotos oder Videos von seinen Kindern auf Facebook, Instagram, Twitter, TikTok veröffentlicht, verletzt vorbehaltlich weniger Ausnahmen deren Rechte. Dennoch werden derartige Rechtsverletzungen mangels ausreichender Sensibilisierung täglich tausende Male begangen. Kinder können ihre Rechte oft nicht adressieren. Deshalb gilt es weiter, über die rechtlichen Rahmenbedingungen und tatsächlichen Missbrauchspotentiale aufzuklären und Handlungsalternativen aufzuzeigen. Hierzu zählen zum Beispiel:

  • Kinder so fotografieren, dass das Gesichts unkenntlich ist. Bei Frontalaufnahmen kann das Gesicht z.B. mittels digitalen Stickern oder Emojis unkenntlich gemacht werden.
  • Keine Daten mit Personenbezug, wie z.B. Name, Wohnort oder Geotag, veröffentlichen.
  • Eigenes Social Media-Profil mit den bestmöglichen Privatsphäre-Einstellungen einrichten.
  • Keine Bilder posten, die dem Kind später einmal peinlich oder unangenehm sein und als Vorlage für Cyber-Mobbing dienen könnten.

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