Das Landgericht Essen hat im Klageverfahren eine Verdachtsberichterstattung der Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) über ein von BROST CLAßEN vertretenes Unternehmen aus der Entsorgungswirtschaft mit Urteil vom 12.12.2024 (n.rk.) untersagt.
In der Berichterstattung ging es um eine spektakuläre Durchsuchung auf dem Betriebsgelände des Unternehmens im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens im Bereich der organisierten Rauschgiftkriminalität. Allerdings handelte es sich um eine sogenannte Durchsuchung bei Dritten (§ 103 StPO). Um Vorwürfe gegen das Unternehmen bzw. deren Geschäftsführung ging es nicht.
Für den Leser war dies aber nicht ohne Weiteres erkennbar. Aus Sicht des Durchschnittslesers richtete sich der in der Berichterstattung geäußerte Verdacht bzw. das Ermittlungsverfahren gegen das Unternehmen, auf dessen Betriebsgelände die Durchsuchung stattfand, und die Geschäftsführerin.
„Dass Durchsuchungen auch bei anderen Personen als Verdächtigen zulässig sind (§ 103 StPO), ist dem Durchschnittsempfänger nicht bekannt.“, so das LG Essen.
Zudem reichte für die Betroffenheit des Unternehmens aus, dass folgende Informationen in einer Videosequenz der Berichterstattung eingeblendet wurden: das Betriebsgelände, die Firma, das Logo, die Tätigkeitsbeschreibung, die Anschrift, Öffnungszeiten und ein Teil der E-Mail-Adresse.
Die Voraussetzungen für eine Verdachtsberichterstattung hatte die Zeitung schon deshalb nicht eingehalten, weil dem gezeigten Unternehmen keine Möglichkeit zur Stellungnahme vor der Berichterstattung eingeräumt wurde.
„Staatsanwaltschaftliche Durchsuchungen im Unternehmen werden oft von Berichterstattung begleitet. Leser bzw. Zuschauer gehen dann oftmals davon aus, dass das Unternehmen „Dreck am Stecken“ hat. Meistens handelt es sich allerdings um eine sogenannte Durchsuchung bei einem Dritten. Die Vorwürfe richten sich also gar nicht gegen das Unternehmen; zumal eine juristische Person selbst auch nicht als Beschuldigter eines Strafverfahrens in Betracht kommt. Das LG Essen hat in einer derartigen Konstellation nun die identifizierende Berichterstattung über das in der Berichterstattung gezeigte Unternehmen und dessen Geschäftsführung untersagt. Der Schutz der Unternehmenspersönlichkeitsrechte im Zusammenhang mit Durchsuchungsmaßnahmen wurde hierdurch gestärkt.“
Aus presserechtlichen Gründen ist der Sachverhalt anonymisiert geschildert. Nachfragen zum Verfahren können an Anwalt Dr. Jörn Claßen gerichtet werden.
Verdachtsberichterstattung – Beratung durch spezialisierten Anwalt
Die Anwälte der Kanzlei BROST CLAßEN beraten Behörden, Unternehmen, Verbände sowie Personen und bekannte Persönlichkeiten in medienrechtlichen Angelegenheiten. Sie führen regelmäßig Gerichtsverfahren zu Fällen im Bereich der Verdachtsberichterstattung.
„Verdachtsberichterstattung und Unschuldsvermutung im Spannungsverhältnis“
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung finden Sie in dem aktuellen Beitrag von Dr. Jörn Claßen in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 2023, 3392): „Verdachtsberichterstattung und Unschuldsvermutung im Spannungsverhältnis“. Hieraus:
„Eine Verdachtsberichterstattung ist in der Regel mit schwerwiegenden Folgen für den Betroffenen verbunden. Die Person steht öffentlich am Pranger und wird oftmals für den Rest ihres Lebens mit den Vorwürfen in Verbindung gebracht; ganz gleich, ob sich diese später als falsch herausstellen, denn etwas bleibt immer hängen. Aufgrund dieser Gefahren ist eine Verdachtsberichterstattung nur ausnahmsweise und bei strenger Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen berechtigt. Wenn Medien diese Voraussetzungen einhalten, Missstände aufdecken und sachlich hierüber informieren, dann leisten sie einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Leider wird die sachliche Information im Kampf um die knappe Ressource der öffentlichen Aufmerksamkeit zunehmend durch eine Skandalisierung ersetzt. Dies geht zulasten der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen und langfristig auch zulasten der Glaubwürdigkeit von Medien.“