Verdachtsberichterstattung: Presserechtlicher Erfolg für Modeschule gegen Content-Netzwerk

19. März 2024

Wir sind für eine renommierte Modeschule erfolgreich gegen eine rechtswidrige Verdachtsberichterstattung eines reichweitenstarken Content-Netzwerks vorgegangen. Das Medium hatte auf Instagram über einen Rechtsstreit zwischen der Modeschule und einer ehemaligen Schülerin berichtet, ohne die Stellungnahme der Modeschule in dem Beitrag hinreichend zu berücksichtigen.

In dem zivilrechtlichen Rechtsstreit geht es um die Frage, ob die Modeschule in dem streitgegenständlichen Fall hinreichend über die Abschlussmöglichkeiten an der Schule aufgeklärt hat. Eine rechtskräftige Entscheidung gibt es in dem Verfahren noch nicht. Über diesen Rechtsstreit hat das Medium auf seinem Instagram-Kanal (über 1,5 Mio. Follower) berichtet. Vor der Berichterstattung hatte das Medium der Modeschule eine Presseanfrage geschickt, die BROST CLAßEN für die Modeschule beantwortet hat. Hierin wurde ausführlich dargestellt, dass die Modeschule auch in dem betreffenden Fall klar über die Abschlussmöglichkeiten an der Schule aufgeklärt hat.

Die ausführliche Stellungnahme hat das Medium inhaltlich verkürzt in nur zwei Sätzen wiedergegeben. Die wesentlichen mitgeteilten Punkte zur Aufklärung über die Abschlussmöglichkeiten an der Schule wurden in dem Bericht weggelassen. Das Medium hat dadurch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Verdachtsberichterstattung verletzt.

Grundsätze der Verdachtsberichterstattung auf Gerichtsberichterstattungen anzuwenden

Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung waren in dem Fall anwendbar, weil es um eine Berichterstattung über ein Gerichtsverfahren (ohne rechtskräftige Entscheidung) über mögliche Fehler bei der Aufklärung über Abschlussmöglichkeiten durch die Schule ging. In derartigen Fällen über vorgeworfene Verfehlungen müssen Medien, die berichten wollen, nach ständiger Rechtsprechung (BGH NJW 2023, 3233 Rn. 21 m.w.N.) folgende Voraussetzungen einhalten:

 „Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst ,Öffentlichkeitswert’ verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. [Herv. d. Verf.]“

Verdachtsberichterstattung: Anspruch auf Berücksichtigung der Stellungnahme „in ihren wesentlichen Punkten“

Dass eine Stellungnahme in angemessenem Umfang und in ihren wesentlichen Punkten in der Berichterstattung berücksichtigt werden muss, hat das Landgericht Köln wie folgt festgestellt (Urt. v. 21.06.2017, Az.: 28 O 357/16 = NJW-RR 2018, 299 (300)):

„Jedoch muss der wesentliche Gehalt der Erwiderung, soll sie ihre materielle Bedeutung behalten, in einem dem Umfang der Berichterstattung angemessenen Umfang wiedergegeben werden (…).

Hat der Betroffene – wie hier der Fall – eine substanziierte Stellungnahme zu den berichteten Vorwürfen abgegeben, so muss diese zumindest in ihren wesentlichen Punkten in die Berichterstattung aufgenommen werden, da eine pauschale oder sinnentstellende zusammenfassende Wiedergabe die mögliche Überzeugungskraft der Entgegnung entwerten könnte. [Herv. d. Verf.]“

Allein die Missachtung der Vorgaben zur hinreichenden Berücksichtigung der Stellungnahme führte zur Rechtswidrigkeit der Berichterstattung.

Da das Medium auf die außergerichtliche Beanstandung schnell reagiert hat (Aufnahme einer weitergehenden Stellungnahme und Erstattung der Rechtsverfolgungskosten), war ein Gerichtsverfahren nicht erforderlich.

In einem anderen aktuellen Fall sind wir gerichtlich (u.a.) gegen die Verletzung der Anhörungspflicht im Rahmen einer Verdachtsberichterstattung vorgegangen:


Die Kanzlei BROST CLAßEN ist auf das Presserecht spezialisiert. Die Anwältinnen und Anwälte der Kanzlei führen regelmäßig Verfahren zu Fällen im Bereich der Verdachtsberichterstattung. Einen Schwerpunkt stellt zudem die präventive Beratung bei drohender kritischer Medienberichterstattung dar.

Aus presserechtlichen Gründen ist der Sachverhalt anonymisiert geschildert. Nachfragen zum Verfahren können an Anwalt Dr. Jörn Claßen gerichtet werden.

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