Das Landgericht Münster hat im Klageverfahren eine Verdachtsberichterstattung einer lokalen Tageszeitung über Strafvorwürfe in Bezug auf einen von BROST CLAßEN vertretenen Mandanten untersagt. Für die Vorwürfe gab es keine Grundlage. Zudem wurde der Betroffene vor der Berichterstattung nicht angehört. Infolge der Berichterstattung wurden der Betroffene sowie dessen Familie bedroht und öffentlich angeprangert. Die Verletzung der Persönlichkeitsrechte wurde noch dadurch intensiviert, dass in der Berichterstattung sogar das Privatgrundstück des Mandanten gezeigt wurde.
Im gerichtlichen Klageverfahren hat das Landgericht Münster die Zeitung nun zur Unterlassung der Berichterstattung und zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Die Unterlassungsverpflichtung hat das Gericht durch Androhung einer Ordnungsgeldzahlung bis zu EUR 250.000,00 bei einer Zuwiderhandlung abgesichert.
Zu dem Klageverfahren hätte es nicht kommen müssen, wenn der Verlag auf die außergerichtliche Abmahnung eine Unterlassungserklärung hinsichtlich seiner Rechtsverletzungen abgegeben hätte. Im Klageverfahren hat der Verlag seine Rechtsverletzungen nicht einmal mehr verteidigt, sodass das Gericht im Wege eines sog. Teilversäumnis- und Schlussurteil entscheiden konnte. Eine Entschuldigung bei dem Betroffenen ist bis heute ausgeblieben.
„Verdachtsberichterstattung und Unschuldsvermutung im Spannungsverhältnis“
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung finden Sie in dem aktuellen Beitrag von Dr. Jörn Claßen, der auch in dem o.g. Fall vertreten hat, in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 2023, 3392): „Verdachtsberichterstattung und Unschuldsvermutung im Spannungsverhältnis“. Hieraus:
„Eine Verdachtsberichterstattung ist in der Regel mit schwerwiegenden Folgen für den Betroffenen verbunden. Die Person steht öffentlich am Pranger und wird oftmals für den Rest ihres Lebens mit den Vorwürfen in Verbindung gebracht; ganz gleich, ob sich diese später als falsch herausstellen, denn etwas bleibt immer hängen. Aufgrund dieser Gefahren ist eine Verdachtsberichterstattung nur ausnahmsweise und bei strenger Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen berechtigt. Wenn Medien diese Voraussetzungen einhalten, Missstände aufdecken und sachlich hierüber informieren, dann leisten sie einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Leider wird die sachliche Information im Kampf um die knappe Ressource der öffentlichen Aufmerksamkeit zunehmend durch eine Skandalisierung ersetzt. Dies geht zulasten der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen und langfristig auch zulasten der Glaubwürdigkeit von Medien.“
Verdachtsberichterstattung – Beratung durch spezialisierten Anwalt
Die Anwälte der Kanzlei BROST CLAßEN beraten Behörden, Unternehmen, Verbände sowie Personen und bekannte Persönlichkeiten in medienrechtlichen Angelegenheiten. Sie führen regelmäßig Gerichtsverfahren zu Fällen im Bereich der Verdachtsberichterstattung.
Aus presserechtlichen Gründen ist der Sachverhalt anonymisiert geschildert. Nachfragen zur Gerichtsentscheidung können an Anwalt Dr. Jörn Claßen gerichtet werden.
Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verdachtsberichterstattung
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (NJW 2023, 3233 Rn. 21 m.w.N.) sind dies die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung:
„Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst ,Öffentlichkeitswert’ verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.“
Diese Voraussetzungen müssen kumulativ eingehalten werden. Da eine Verdachtsberichterstattung zudem nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes (§ 193 StGB) zulässig ist, sind strenge Maßstäbe an die Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen anzulegen.