Recht auf Vergessen für Betroffene gegen Google durchgesetzt

19. April 2024

BROST CLAßEN hat in Anwendung der „Recht auf Vergessen II“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfolgreich für mehrere Mandanten gegen die Google Ireland Limited („Google“) die Löschung bzw. Auslistung von Alt-Inhalten in der Google Suche und auf YouTube durchgesetzt.

Auslistung zahlreicher Alt-Berichte aus der Google Suche (ehemaliger Spitzensportler)

Recht auf Vergessen bei lange zurückliegenden Vorgängen

Im ersten Fall ging es um die Anzeige zahlreicher Alt-Artikel (u.a. Spiegel Online) über unseren Mandanten, einen ehemaligen Spitzensportler, in der Google Suche. In den Artikeln ging es um rufschädigende Sachverhalte (u.a. Strafvorwürfe und Vorgänge aus dem Privatleben) aus den Jahren 2007 bis 2016. Da sich der Mandant nach seiner Karriere als Spitzensportler weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat und die Sachverhalte mehrere Jahre zurückliegen, haben sich die von BROST CLAßEN angeschriebenen Medien bereit erklärt, eine Einverständniserklärung zur Auslistung der Artikel aus der Google Suche abzugeben. Unter Verweis auf die Einverständniserklärung konnte sodann eine Auslistung gegenüber Google in außergerichtlichen Verfahren durchgesetzt werden.  

BVerfG „Recht auf Vergessen II“: Einverständniserklärung des Inhalteanbieters zur Auslistung im Rahmen der Abwägung relevant

Eine entsprechende Einverständniserklärung des Inhalteanbieters zur Auslistung der Inhalte in Suchmaschinen ist nach der „Recht auf Vergessen II“-Entscheidung des BVerfG im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen des Betroffenen und der Suchmaschinenbetreiber relevant. Denn die Grundrechte der Inhaltanbieter, insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit, sind nach der Rechtsprechung des BVerfG bei der Abwägung zu berücksichtigen, BVerfG NJW 2020, 314 Rn. 106:

„In die Abwägung zwischen Betroffenen und Suchmaschinenbetreibern sind allerdings auch die Grundrechte der Inhalteanbieter einzustellen, um deren Veröffentlichung es geht.“

Wenn Inhalteanbieter insoweit ihr Einverständnis zur Auslistung der Inhalte aus den Suchmaschinen erteilen, dann fällt diese Rechtsposition bei der Abwägung weg, sodass die Rechte des Betroffenen die verbleibenden (primär) wirtschaftlichen Interessen der Suchmaschinenbetreiber in der Regel überwiegen.

Das Arbeiten mit entsprechenden Einverständniserklärungen ist in der Beratungspraxis danach zunehmend relevant.

Zugriffsbeschränkung auf ein sechs Jahre altes YouTube-Video (ehemaliger Spitzensportler)

Für den Mandanten konnten wir zudem eine Zugriffsbeschränkung auf ein sechs Jahre altes rufschädigendes YouTube-Video durchsetzen. Durch die fortdauernde Anzeige des Videos wurden die Persönlichkeitsrechte des Mandanten verletzt. Die negative Berichterstattung hatte erhebliche negative Auswirkungen auf seine gesundheitliche Verfassung und sein Privatleben.

Im außergerichtlichen Verfahren konnten wir gemäß der o.g. Recht auf Vergessen-Rechtsprechung gegenüber Google durchsetzen, dass der Zugriff auf das Video innerhalb der EU ausgeschlossen wurde.

Auslistung mehrerer zehn Jahre alter Berichterstattungen (ehemaliger Geschäftsführer)

In einem weiteren Fall ging es um die Anzeige zehn Jahre alter Artikel über ein Insolvenzverfahren und angebliche Betrugsvorwürfe eines Unternehmens aus der Energiebranche. Bei diesem war unser Mandant bis 2014 Geschäftsführer.

An der Anzeige der Alt-Berichterstattungen bei namensbezogener Suche unseres Mandanten bestand kein Informationsinteresse mehr, da das Unternehmen 2014 liquidiert wurde und unser Mandant seitdem keine Geschäftsführertätigkeit mehr innehat. Überdies wurden die Artikel auf einer dubiosen Webseite veröffentlicht, gegen die BROST CLAßEN bereits in der Vergangenheit mehrfach erfolgreich gerichtlich vorgegangen ist.

Auf Löschungsaufforderung von BROST CLAßEN listete Google die Alt-Artikel innerhalb weniger Tage aus den Suchergebnissen aus.

Recht auf Vergessen bzgl. Berichterstattung aus dem Jahr 2011 über einen Arzt

Auch für einen Arzt haben wir erfolgreich dessen Recht auf Vergessen in Bezug auf eine Berichterstattung aus dem Jahr 2011 durchgesetzt.

In dem Artikel geht es um einen Strafvorwurf gegen den Arzt, von welchem dieser längst freigesprochen wurde. Deutsche Medien hatten die erkennbar machende Berichterstattung daher bereits gelöscht. Ein ausländisches Medium hatte die Berichterstattung allerdings weiterhin veröffentlicht, weshalb wir gegen das Medium und gegen Google vorgegangen sind. Während das Verfahren gegen das Medium noch andauert, konnten wir eine Auslistung des Artikels gegenüber Google bereits durchsetzen. Die akute Rechtsverletzung infolge der Auffindbarkeit des rechtswidrigen Artikels über Google konnte somit noch vor einer Entscheidung gegen das Medium beseitigt werden.

Rechtsanwalt Dr. Jörn Claßen:

„Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinen beiden Recht auf Vergessen-Entscheidungen den Persönlichkeitsschutz an das „digitale Zeitalter“ angepasst. Das verfassungsrechtlich zugesprochene Recht auf Vergessen ermöglicht Betroffenen eine Chance zum Neubeginn und einen wirksamen Schutz der Persönlichkeitsrechte.“

Rechtsanwältin Dr. Isabel Plum:

„Bei der Durchsetzung des Rechts auf Vergessen sind vor allem Suchmaschinenbetreiber wie Google in die Pflicht zu nehmen. Betroffene leiden insbesondere daran, dass die viele Jahre zurückliegende rufschädigende Berichterstattung bei jeder anlasslosen personenbezogenen Suche in den Suchergebnissen weiterhin prioritär angezeigt und dadurch reaktualisiert wird.“


Die Anwälte der Kanzlei BROST CLAßEN beraten Behörden, Unternehmen, Verbände sowie Personen und bekannte Persönlichkeiten in medienrechtlichen Angelegenheiten. Sie vertreten aktuell in zahlreichen Fällen zum sog. Recht auf Vergessen.

Aus presserechtlichen Gründen sind die Sachverhalte anonymisiert geschildert.


Rechtliche Hintergründe zum Recht auf Vergessen

Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG gibt es ein Recht auf Vergessen.

Recht auf Vergessen nach der „Google-Spain“-Entscheidung des EuGH

Schon im Jahr 2014 hat der EuGH in der „Google-Spain“-Entscheidung (EuGH NJW 2014, 2257) entschieden, dass es ein Recht auf Vergessen gibt, wonach dem Betroffenen nach einem gewissen Zeitablauf ein Recht auf De-Listing der ihn betreffenden identifizierenden Berichterstattung gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber (Google) zugesprochen wurde.

Zudem überwiegen nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich die aus den Art. 7 und 8 GRCh hergeleiteten Persönlichkeitsrechte des von den Suchergebnissen Betroffenen nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, die Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche zu finden.

Recht auf Vergessen nach der Rechtsprechung des BVerfG

Hieran hat das BVerfG im Jahr 2019 mit den zwei wegweisenden Entscheidungen „Recht auf Vergessen I“ (BVerfG NJW 2020, 300) und „Recht auf Vergessen II“ (BVerfG NJW 2020, 314) angeknüpft. Die Rechtsordnung müsse grundsätzlich gewährleisten, dass eine Person sich frühere Positionen, Äußerungen und Handlungen nicht unbegrenzt öffentlich vorhalten lassen muss. Erst die Ermöglichung eines Zurücktretens vergangener Sachverhalte eröffne den Einzelnen die Chance zum Neubeginn in Freiheit. Zur Zeitlichkeit der Freiheit gehöre die Möglichkeit des Vergessens.

Damit haben die Gerichte den Persönlichkeitsschutz an das „digitale Zeitalter“ angepasst. In der „analogen Welt“ war das Vergessen ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Miteinanders. Heute sind sämtliche veröffentlichte Informationen dauerhaft digital gespeichert und über Suchmaschinen wie Google weltweit zugänglich. Dies hat eine besondere Relevanz im Bereich der identifizierenden Berichterstattung unter Namensnennung. Einmal veröffentlichte Artikel werden im Online-Archiv des Verlags gespeichert und bei jeder (auch anlasslosen) Namenssuche auf Google fortdauernd angezeigt. Im positiven Sinn ist dies, den perfekte Rückblick zu haben – im negativen Sinn bedeutet dies, die ständige Reaktualisierung der Schattenseiten einer Vita. Das verfassungsrechtlich zugesprochene Recht auf Vergessen ermöglicht Betroffenen nunmehr eine Chance zum Neubeginn und eine Rückkehr in die Anonymität.

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